Viele Deutsche fürchten sich vor Übergewicht und meiden Pommes und Schokolade, weil sie diese für Dickmacher halten. Aus Angst vor überflüssigen Kalorien zwingen sie sich zu „gesunder“ Kost oder gar zu Diäten. Doch neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass das Körpergewicht von ganz anderen Faktoren beeinflusst wird als von der Ernährung. Danach sind es weder Fastfood noch Süßigkeiten, die dick machen, sondern negativer Stress, chronischer Schlafmangel und übermäßiger Fernsehkonsum.
Die Deutschen werden immer dicker!“ Diese erschreckende Nach-richt prasselt fast täglich auf uns nieder. Eine Erklärung liefern die Medien gleich mit: Schuld am vermehrten und krankhaften Übergewicht sollen ungesunde Ernährung sowie mangelnde Bewegung sein. Das bestätigt nicht nur die weit verbreitete Befürchtung, wonach Fastfood und Süßigkeiten dick machen, sondern passt auch zum Schönheitsideal unserer Zeit. Denn heute gelten vorzugsweise schlanke Menschen als fit und vital, während beleibte Zeitgenossen oft genug als träge und krank eingestuft werden. Noch vor wenigen Jahrzehnten war das Gegenteil der Fall: Damals erklärte man dünne Kinder für schwindsüchtig und versuchte, sie durch zusätzliche Kalorien aufzupäppeln. Auch die Gemälde der vergangenen Jahrhunderte verraten, dass – insbesondere bei Frauen – die üppigere Körperform dem Ideal entsprach. In vielen südlichen und östlichen Ländern gilt selbst heute nicht der Verlust an Pfunden als erstrebenswert, sondern Körperfülle.
Übergewichtsepidemie?
Angesichts des aktuellen Schlankheitstrends wird verständlich, weshalb sich immer mehr Deutsche vor Übergewicht fürchten oder als zu dick empfinden. Dabei gibt es bislang keine greifbaren Anzeichen dafür, dass die Nation tatsächlich verfettet. Einerseits mangelt es an repräsentativen Zahlen zur langjährigen Gewichtsentwicklung der Deutschen. Andererseits wurden die wenigen vorliegenden Daten mit unterschiedlichsten Methoden erhoben und interpretiert. Entsprechend widersprüchlich sind ihre Ergebnisse: Während Experten von der Universität Kiel bei einem Vergleich ausgewählter Referenzwerte aus den 70er Jahren eine Verdopplung von übergewichtigen Kindern ausgemacht haben wollen, konnten Messungen bei Schulanfängern in Bayern und Brandenburg diese wundersame Vermehrung nicht belegen. Nach den Daten aus den beiden Bundesländern hat sich die Zahl der übergewichtigen Kinder seit über einem Jahrzehnt auf einem nahezu unverändertem Niveau eingependelt. Eine Dortmunder Studie, bei der 15 Jahre lang die Gewichtsentwicklung von Kindern erfasst wurde, bestätigt dieses Resultat. Von einer „Übergewichtsepidemie“ kann demnach nicht einmal ansatzweise die Rede sein.
Mainzelmännchen auf Diät
Dennoch trägt der Schlankheitswahn hierzulande hysterische Züge. Inzwischen sind ihm sogar die Werbepausen-Wichtel des Zweiten Deutschen Fernsehens zum Opfer gefallen, die Mainzelmännchen. Nach über 40 Jahren mussten die stets runden und lustigen TV-Zwerge abspecken – frei nach dem Motto: Nur magere Zeichentrickfiguren können dem Anspruch der Zuschau-er und der Werbekunden gerecht werden. Doch auch in der Realität ist eine üppige Körperform zunehmend unerwünscht. So hat eine Befragung von über 400 Schulkindern im amerikanischen New Jersey ergeben, dass sich die Abneigung von Schülern gegen fettleibige Altersgenossen seit 1961 mehr als verdoppelt hat. In Deutschland macht sich die Stigmatisierung von Dicken ebenfalls bemerkbar und das nicht nur bei Kindern.
Wegen Übergewicht gekündigt
Im Jahre 2004 gab das Frankfurter Verwaltungsgericht einer Kommune Recht, die einen 29-Jährigen aus seinem Dienstverhältnis auf Probe entließ, weil dieser übergewichtig war. Die Kommune hatte den Mann zuvor mehrfach zum Abspecken aufgefordert und ihm Ratschläge erteilt. Als das nicht fruchtete, setzte man ihn vor die Tür. Für angehende Lehrer kann Übergewicht ebenfalls schwerwiegende Folgen haben, denn der Staat darf ihre Verbeamtung ablehnen – und tut das offenbar in zunehmendem Maße.
Hoffnungslose Nullsummenspiele
Doch ist wirklich eine „falsche“ Ernährung dafür verantwortlich, dass manche Mitbürger mehr Pfunde haben als andere? Und können sich gewichtigere Zeitgenossen durch Diäten oder durch „ausgewogene“ Kost auf Dauer schlank essen? Wohl kaum, denn genauso wie die meisten biologischen Parameter ist auch das Körpergewicht ein Ausdruck der Vielfalt der Individuen. Mit anderen Worten: Der Körperbau des Einzelnen – egal ob schlank, rund oder irgendwo dazwischen – ist biologisch bedingt mit einer bestimmten Häufigkeit in der Gesamtpopulation vorhanden. Er wird in erster Linie von den Genen bestimmt und ist nicht krankhaft. Bekanntlich spiegeln Kinder oft die körperliche Konstitution ihrer Eltern wider. Und weil es sich bei unserem Körperbau um eine Veranlagung handelt, lässt er sich auch kaum durch Ernährung oder Bewegung manipulieren. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass die zahlreichen Versuche der Vergangenheit, das Körpergewicht durch einen bewussten Lebensstil zu beeinflussen, hoffnungslos gescheitert sind. Immer wieder mussten Wissenschaftler feststellen, dass sich der menschliche Körper weder durch Ernährungsvorschriften noch durch Sportprogramme um die Sicherung seines individuellen
Bedarfs an Kalorien und Bewegung bringen lässt. Besonders eindrucksvoll zeigte sich das im Rahmen einer zweijährigen US-Studie, die an zwei Schulen in Nebraska durchgeführt wurde. Die jungen Teilnehmer erhielten mittags eine fettarme, ballaststoffreiche und kalorienreduzierte Mahlzeit sowie ein zusätzliches Sporttraining. Doch so gut die Bemühungen auch gemeint waren, sie wirkten sich nicht auf das Körpergewicht der Kids aus. Die vorenthaltenen Kalorien nahmen sie nämlich, ohne es zu merken, zu Hause wieder zu sich. Das galt auch für die sportlichen Aktivitäten, die sie durch größere Passivität in der übrigen Zeit ausglichen. Gleichermaßen erfolglos war eine ähnlich angelegte Kampagne an 41 amerikanischen Schulen mit über 1700 Schülern der US-Staaten Arizona, New Mexiko und South Dakota. Hier wurde den Teilnehmern sogar ein Unterricht zu einer gesunden Ernährung und Lebensweise erteilt. Das Ergebnis der dreijährigen Maßnahmen: Die Kids aßen zwar weniger Fett, insgesamt jedoch die gleiche Menge an Kalorien. Ihre körperliche Aktivität änderte sich ebenso wenig wie ihr Körperfettanteil. Dieses Nullsummenspiel wurde inzwischen von vielen anderen Untersuchungen bestätigt.
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Wenn Diäten dick machen
Immer mehr Deutsche entwickeln ein problematisches Essverhalten, weil sie sich für zu dick halten. Mit Diäten, Sport, Zigaretten und Medikamenten versuchen sie, ihr Körpergewicht zu kontrollieren. Dass Abnehmversuche schon bei Grundschülern verbreitet sind, beweist eine Befragung von 230 Kindern der 3. und 4. Klassen in Weimar. Danach bevorzugen 53 Prozent der Mädchen und 42 Prozent der Jungen ein dünneres Idealbild gegenüber ihrer eigenen Figur. Selbst unter den normal gewichtigen Kindern wäre ein Drittel gerne schlanker. Außerdem haben bereits 40 Prozent aller 8- bis 12-Jährigen erste Diäten hinter sich.
Jojo-Effekt
Die Erfahrung zeigt allerdings, dass selbst häufige und lange Diäten auf Dauer nicht schlank machen. Im Gegenteil: Die meisten Menschen legten durch ständiges Kalorien zählen letztlich noch mehr an Gewicht zu. Verantwortlich dafür ist weniger die Tatsache, dass Diätanweisungen auf Dauer nicht einzuhalten sind, sondern der so genannte Jojo-Effekt. Denn wer sich an eine wie auch immer geartete Kalorienbeschränkung hält, zwingt seinen Körper dazu, in den „Energiesparmodus“ zu wechseln. Ist der „Hungerzustand“ dann irgendwann überstanden, so legt der Organismus sicherheitshalber ein zusätzliches Reservepölsterchen an. Die Folge: Statt purzelnder Pfunde kommen schließlich Extra-Pfunde hinzu.
Essstörungen
Doch häufige und ausgiebige Diäten machen nicht nur dick, sondern oftmals auch krank. Denn die ständige Kontrolle des eigenen Essverhaltens kann zu einer Essstörung führen. Wie Studien aus den letzten Jahren bestätigen, leiden darunter immer mehr und immer jüngere Menschen. So fand eine Erhebung unter 2300 deutschen Schülerinnen und Schülern der zehnten Klasse bei zehn Prozent der Mädchen und zwei Prozent der Jungen ein bulimieverdächtiges Essverhalten mit unkontrollierten Essattacken und Erbrechen sowie bei sieben Prozent ein anorektisches (mager-süchtiges) Körpergewicht. Laut einer australischen Untersuchung erhöhen strenge Hungerkuren das Risiko einer Essstörung bei Jugendlichen um das 18-fache. Selbst bei moderaten Diäten, also bei alledem, was Zeitschriften, Krankenkassen und Ernährungsberater ihrer Klientel anraten, ist das Risiko immerhin fünfmal so hoch.
Pommes, Hamburger, Cola & Co.
Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass vor allem Übergewichtige ihre Ernährungsweise umkrempeln müssten, um abzuspecken. Das ist nicht zuletzt deshalb unverständlich, weil nach wie vor nicht erwiesen ist, dass eine „ungesunde“ Ernährung á la Fastfood & Co. dick macht (vgl. Artikel „Zuckersüße Märchen“). Im Gegenteil: Forscher von der amerikanischen Harvard-Universität, die drei Jahre lang das Ernährungsverhalten von rund 15 000 neun- bis vierzehnjährigen Kindern prüften, kamen zu dem Ergebnis, dass weder eine erhöhte Zufuhr an Energie oder einzelnen Nährstoffen noch ein Bewegungsmangel als maßgebliche Faktoren für Übergewicht in Frage kommen. Eine andere Wissenschaftlergruppe indes konnte bei einer Befragung von mehr als 3200 Erwachsenen Amerikanern keinen Zusammenhang zwischen häufigem Snackkonsum und Übergewicht feststellen – und das, obwohl die Teilnehmer mit ausgeprägterem Hang zu Zwischenmahlzeiten insgesamt mehr Kalorien zu sich nahmen als jene, die weniger Kleinigkeiten naschten. Das Resultat einer Kieler Untersuchung gibt ebenfalls zu denken: Nach dieser vertilgten dünne Kinder genauso viel Schokolade, Hamburger, Pommes und Cola wie dicke. Damit steht der Wahrheitsgehalt von Kinofilmen wie „Super size me“ in Frage, die das gängige Klischee vom Übergewicht durch Fastfood bedienen.
Eine Frage der Hormone
Wenn es aber weder Ernährung noch Bewegung sind, die unser Körpergewicht entscheidend beeinflussen, was dann? Zunächst einmal kann eine krankhafte Abweichung vom konstitutionellen, also dem genetisch vorgegebenen, Gewicht organische Ursachen haben. So führen beispielsweise Tumoren in hormonproduzierenden Organen wie auch die Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Cortison, Verhütungsmittel) zu Übergewicht. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn unsere Pfunde unterliegen der hormonellen Regulation unseres Körpers. Bekanntlich entwickeln Patienten, die regelmäßig Cortison einnehmen und so ihren Hormonspiegel an Cortisol erhöhen, auf Dauer eine typische Fettsucht. Inzwischen haben Forscher eine Reihe anderer Faktoren gefunden, die den Pegel des körpereigenen Stresshormons Cortisol erhöhen und damit langfristig zu Übergewicht führen können. Dazu gehören unter anderem negativer Stress (Distress), Schlafmangel und übermäßiger Fernsehkonsum.
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Übergewicht: Definition durch BMI
Das Idealgewicht oder die Abweichung davon wird häufig mit Hilfe des Body-Mass-Index bestimmt. Er berechnet sich nach folgender Formel: Körpergewicht geteilt durch die Körpergröße in Meter im Quadrat (z.B. 80 Kg schwer und 1,82 m groß (1,82 x 1,82= 3,3124) also 80 : 3,3124 = 24,15 BMI)
Die wichtigsten BMI-Werte im Überblick:
Bis 18,5 = Untergewicht, 18,5–24,9 = Normalgewicht, 25–29,9 = Übergewicht
30–34,9 = Mittlere Adipositas (Fettleibigkeit), 35–39,9 = Hohe Adipositas
Über 40 = Extreme Adipositas
Immer mehr Fachleute bezweifeln, dass der BMI als Maß für Übergewicht geeignet ist, denn er gibt keine Auskunft über den tatsächlichen Fettgehalt des Körpers. Allein nach dem BMI beurteilt wären beispielsweise Menschen mit kräftigem Körperbau (Kraftsportler, Schwerstarbeiter, usw.) entweder übergewichtig oder gar fettleibig. Noch problematischer wird es bei der Verwendung des BMI zur Prognose von Krankheiten. Hier setzt sich inzwischen ein anderes Maß durch, nämlich das Verhältnis von Taillenumfang zu Hüftumfang (Waist-to-hip-ratio, WHR).
Dick durch Fernsehen
Dass Stress in Form von Kummer, Angst oder Verzweiflung häufig auf den Bauch schlägt, ist nicht neu. Wer kennt schon nicht den so genannten „Kummerspeck“? Mittlerweile hat sich im Rahmen von größeren Studien auch chronischer Stress am Arbeitsplatz als unabhängiger Risikofaktor für Übergewicht entpuppt. Noch eindeutiger fielen die Resultate zum Einfluss des Fernsehens aus: In einer spanischen Studie erhöhte jede Stunde TV-Konsum pro Tag das relative Risiko für Übergewicht um 30 Prozent, in Australien stieg es bei vier Stunden pro Tag gar um das Vierfache. Dabei liegt natürlich die Vermutung nahe, dass häufiges Fernsehen mit vermehrtem Snackverzehr und Bewegungsmangel einher geht – also jenen Faktoren, die oft als Dickmacher angesehen werden. Jedoch konnte man deren Einfluss bei den Untersuchungen ausschließen. Als knapp 200 Schüler einer US-amerikanischen Grundschule zu einer deutlichen Verringerung ihres TV-Konsums angehalten wurden, wirkte sich das weder auf ihre sportlichen Aktivitäten noch auf ihren Kalorienverzehr aus. Trotzdem hatten sie innerhalb eines halben Jahres nachweislich weniger Speck angesetzt als ihre Mitschüler in den Vergleichsklassen. Auch bei einer Münchener Studie mit 6800 Kindern im Alter von fünf bis sechs Jahren erwies sich nicht Bewegungsmangel als Risikofaktor für Übergewicht, sondern die vor dem Fernseher verbrachten Stunden.
Dünn durch Schlaf
Die Schlafdauer beeinflusst ebenfalls nachweislich das Körpergewicht. Einer japanischen Untersuchung zufolge, die sich auf 8200 Schüler im Alter von sechs bis sieben Jahren konzentrierte, neigten solche Kinder, die spät zu Bett gingen und früh aufstehen mussten, viel stärker zu Übergewicht als jene, die sich früher hinlegten und länger schliefen. Die Korrelation zwischen Schlafmangel und zusätzlichen Pfunden blieb auch dann erhalten, als man den Effekt des Fernsehkonsums herausrechnete. Bestätigt wurde sie inzwischen auch durch Arbeiten aus Deutschland, Frankreich, Spanien und China. Studien an Erwachsenen ergaben ebenfalls, dass das Körpergewicht proportional zur sinkenden Schlafdauer steigt.
Übergewicht ist keine Krankheit
Inzwischen ist das Geheimnis gelüftet, wie Distress – ganz egal, ob durch Kummer, Fernsehexzesse oder Schlafmangel – zu Übergewicht führt: Eine ständig erhöhte Cortisolausschüttung im Körper bewirkt eine vermehrte Bildung von Fettzellen, die das Stresshormon aus dem Blut „fischen“ und so seinen Spiegel niedrig halten. Die Anlage von Fettpolstern scheint folglich eine ausgleichende Reaktion des Körpers bei negativem Stress zu sein. Damit aber ist auch ein von der Konstitution abweichendes Übergewicht keine Krankheit, sondern stets der Ausdruck eines anderen zugrunde liegenden organischen oder psychosozialen Problems. Alle Bemühungen, es durch „gesunde“ Ernährung oder mehr Bewegung bekämpfen zu wollen, sind also bestenfalls nutzlos. Die Tatsache, dass häufige und ausgiebige Diäten langfristig zu Übergewicht führen (vgl. „Wenn Diäten dick machen“), zeugt davon, dass Ernährungsbeschränkungen sogar kontraproduktiv sind.
Und was bedeutet das alles nun für jene, die sich verstärkt Gedanken um ihren Bauch- oder Hüftumfang machen? Erstens: Das Körpergewicht wird grundsätzlich von den Genen bestimmt und ist deshalb genauso wenig krankhaft wie die Körpergröße. Zweitens: Sollte es deutlich vom natürlichen Gewicht abweichen, so liegt das letztlich weder an einer „ungesunden“ Ernährung noch an mangelnder Bewegung, sondern an ganz anderen Faktoren.
Essen und Bewegen mit Freude!
Lassen Sie sich also Ihre Freude am Essen nicht durch Ernährungsvorschriften verderben. Hören Sie lieber auf Ihren Körper und zwingen Sie ihn nicht zu einer Kost, die im nicht bekommt. Und wenn Sie gerne Sport treiben, dann tun Sie das weiterhin – aber bitte nicht in der Hoffnung, sie könnten dadurch abnehmen.
Dicke leben länger
Übergewicht verlängert das Leben – zu diesem überraschenden Ergebnis kommt eine detaillierte Auswertung von drei nationalen Gesundheits- und Verzehrsstudien aus den USA. Zwar traten im Vergleich zu Normalgewichtigen bei den Fettsüchtigen rund 112000 zusätzliche Todesfälle auf und bei den Untergewichtigen etwa 34000. Die höchste Lebenserwartung jedoch hatten leicht übergewichtige Amerikaner, denn in dieser Gruppe gab es rund 86000 Todesfälle weniger als bei den Normalgewichtigen. Folglich sterben in den USA alles in allem mehr schlanke Menschen als die Gesamtheit aus übergewichtigen und fettsüchtigen Zeitgenossen. Doch damit nicht genug: Nach den vorliegenden Daten haben Schlanke im Vergleich zu Normalgewichtigen ein bis zu doppelt so hohes Sterblichkeitsrisiko – ein Wert, an den selbst stark Fettsüchtige nicht heranreichen.
Abspeckprogramme
Dass Übergewichtige ihr Plus an Lebensjahren durch Abspecken einbüßen können, belegt indes eine Untersuchung aus Finnland. Danach hatten Dicke, die infolge von Diäten kurzfristig abnahmen, langfristig ein fast doppelt so hohes Sterberisiko wie solche, die ihr Gewicht hielten. Damit verloren sie sogar mehr Lebensjahre als jene, die nicht abnehmen wollten und weiter an Pfunden zulegten. Mittlerweile zeigte sich sogar, dass Diäten das Leben unabhängig vom Ausgangsgewicht verkürzen. Am schlechtesten schnit-ten einer kalifornischen Studie zufol-ge die Untergewichtigen ab: Verloren sie während ihres Lebens an Körpermasse, so hatten sie im Alter ein fast doppelt so hohes Sterblichkeitsrisiko wie Normal-gewichtige, deren Körpergewicht konstant geblieben war. Die insgesamt niedrigste Sterblichkeits-rate hingegen fand sich bei solchen Normalgewichtigen, die über Jahre hinweg ausgiebig Pfunde zugelegt hatten.
Risikofaktoren
Eine kurz zuvor veröffentlichte Arbeit hat ebenfalls eine frohe Botschaft für Dicke parat. Sie kam zu dem Ergebnis, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Überge-wichtigen in den letzten Jahren stärker gesunken ist als bei Normalgewichtigen. Den Resultaten zufolge liegen die beiden Gruppen in Bezug auf Faktoren wie Cholesterin-spiegel oder Blutdruck mittlerweile fast gleichauf.
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Fazit zum Übergewicht: Bedeutung, Ursachen und Therapie
Beim Körpergewicht handelt es sich um eine Veranlagung, die je nach Individuum unterschiedlich ausgeprägt ist. Wenn der Körper-bau des Einzelnen vom Durchschnitt abweicht, so ist das biologisch bedingt und nicht krankhaft. Als problematisch sind lediglich deutliche Abweichungen vom natürlichen Gewicht anzusehen.
Die weit verbreitete Meinung, dass „ungesunde“ Ernährung und mangelnde Bewegung zu einer Gewichtszunahme führen, hat sich als falsch erwiesen. Weil das Körpergewicht der hormonellen Regulation des menschlichen Körpers unterliegt, kommen als Dickmacher vor allem solche Faktoren in Frage, die den Hormonstatus beeinflussen. Dazu gehören unter anderem Krankheiten, bestimmte Medikamente, negativer Stress, erhöhter Fernsehkonsum und Schlafmangel.
Ein von der Konstitution abweichendes Körpergewicht ist keine Krankheit, sondern der Ausdruck eines anderen zugrunde liegenden Problems. Übergewicht lässt sich daher nur durch die Behebung der tatsächlichen Ursache (z. B. psychosoziale Probleme) therapieren und nicht durch Abspeckprogramme.
Häufige und ausgiebige Diäten sind als riskant einzustufen. Sie machen auf Dauer nicht nur dick, sondern oftmals auch krank. Zu ihren typischen Nebenwirkungen zählen Essstörungen, unter denen immer mehr und immer jüngere Menschen leiden. Diäten sollten folglich mit Bedacht und vor allem nur selten angewandt werden.
Leichtes Übergewicht hat sich inzwischen als lebensverlängernd erwiesen. Untergewichtigen Per-sonen wiederum wurde eine höhere Sterblichkeit bescheinigt als stark Fettsüchtigen. Damit steht das gängige Schönheits-ideal in Frage, nach dem schlanke Menschen als gesund gelten und dicke als krank
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