Tauschkreise: vom sinnvollen Geben und Nehmen.
Babysitter gegen Friseur, Skilehrer für Fensterputzer, in Tauschkreisen gibt es einfach alles – außer Geld. Warum das Prinzip vom Tauschen so erfolgreich ist und warum gerade in Zeiten der Finanzkrise immer mehr Menschen lieber etwas geben als kaufen, erklärt dieser Bericht!
Inhalt
- Not macht erfinderisch…
- Kontrolle wird groß geschrieben
- Die Entstehungsgeschichte des Tauschrings
Not macht erfinderisch…
erst recht in Zeiten der Wirtschaftskrise. Denn dort, wo das Geld knapp wird, die Bedürfnisse aber trotzdem bestehen bleiben, muss ideenreich gehandelt werden. Eine besonders effektive und sinnvolle Handlung ist es, eigene Talente und Möglichkeiten gegen die Begabungen oder Hilfe Anderer einzutauschen. Genau auf dieses Prinzip bauen so genannte Tauschringe oder Tauschkreise auf. In diesen Tauschkreisen werden Dienste oder Dinge nach einem zuvor festgelegten System angeboten oder angefragt. Geld hat in diesem System dagegen keinen Platz. Und es gibt keine Dienste, egal ob es sich um akademische, handwerkliche oder nachbarschaftliche Dienste handelt, die wertvoller sind und mehr zählen. Also, alles zählt gleich! Immer gilt der Grundsatz: Geben ist gleich Nehmen! Was sich zuerst vielleicht ein bisschen kompliziert anhört, ist in Wahrheit kinderleicht und bringt für jeden, der daran teilnimmt nur Vorteile.
„Es gibt bei uns nichts, was es nicht gibt“, erklärt Eleonore Hotz vom „LETS Tauschnetz München“ die Situation. „Der eine Teilnehmer kann Haare schneiden, der andere vielleicht eine Dichtung reparieren oder Sprachunterricht geben. Alle angebotenen oder angenommenen Hilfeleistungen werden in Talente umgewandelt und auf dem persönlichen Konto aufgeführt. Dabei spielt die Art der Tätigkeit keine Rolle. Pro Stunde werden zum Beispiel im LETS München 20 Talente aufgeführt. Und wer nun zum Beispiel einer arbeitenden Mutter bei der Betreuung des kranken Kindes für drei Stunden aushilft, kann sich dafür 60 Talente auf seinem Konto anrechnen lassen. Sucht derjenige im Gegenzug eine Person, die ihm bei der Gartenarbeit unterstützt, kann er die Hilfe zum Beispiel mit den von ihm erarbeitenden Talenten vergüten!“ Der Begriff Talente für die erhaltenen oder geleisteten Leistungen wird übrigens nur im „LETS München“ benützt. Andere Tauschkreise nennen diesen Umrechnungsmaßstab „Bam“, „Taler“ oder „Green Dollar“, das Prinzip bleibt allerdings immer gleich!
Kontrolle wird groß geschrieben
Ganz ohne Kontrolle geht das natürlich nicht. Wer Teilnehmer beim „LETS Tauschkreis München“ werden möchte, muss zuvor an einem Infoabend und einem Stadtteiltreffen dabei gewesen sein. „Wer mitmachen will, muss sich natürlich über die Konsequenzen im Klaren sein“, führt Eleonore Hotz weiter aus. „Der potentielle Teilnehmer bekommt so Zeit über seine Aufgaben und Pflichten nachzudenken. Und wer dann immer noch mitmachen will, wird gerne aufgenommen.“ Die offizielle Kontrolle über das Tauschgeschäft ohne Geld haben ehrenamtliche Mitarbeiter, auch die Verantwortlichen-Gruppe genannt. „Denn schwarze Schafe gibt es überall. Doch das spricht sich sehr schnell herum“, so Eleonore Hotz. Eine gewisse Kontrolle geben auch die Talente-Konten. Wer ein Saldo von – 1.000 oder + 2.000 Talente auf seinem Konto überschreitet, darf nur noch Tauschhandlungen zum Abbau der hohen Plus- oder Minusbeträge vornehmen.
Im Grunde genommen funktioniert der Tauschring wie eine gut ausgebaute Nachbarschaftshilfe. Mit einem Vorteil: Hat man die Dienste einer Person in Anspruch genommen, muss man nicht zwingend dieser Person im Gegenzug bei einer anderen Tätigkeit helfen. Und natürlich ist das Angebot im Tauschkreis die gewünschte Hilfe zu finden wesentlich größer. „600 bis 700 Teilnehmer haben wir momentan“, erklärt Eleonore Hotz. „Da findet jeder das, was er sucht!“ Einziger Nachteil des Tauschkreis-Systems ist die fehlende, rechtliche Haftung. Regressforderungen sind deshalb nicht möglich. Ein Problem, das bisher allerdings bei keinem Teilnehmer zu Kopfschmerzen geführt hat.
Ganz im Gegenteil. Seit 1994 der erste Tauschkreis in Deutschland gegründet wurde, hat dieses System Erfolg. Mittlerweile gibt es bereits weit über 300 Tauschsysteme – und es werden täglich mehr. Dank Internet, einer Marktzeitung mit Angeboten und Nachfrage und einem flächendeckenden, gut durchdachtem System floriert das Geschäft mit dem Geben und Nehmen in Deutschland. Und das, egal ob es um Nachhilfe, Handwerksarbeiten, Kleidertausch, Essen auf Rädern, Urlaubsmöglichkeiten, Gassi gehen, Kochtipps oder Haushaltsplanung geht. Denn beim Tauschring gibt es wirklich nichts, was es nicht gibt!
Die Entstehungsgeschichte des Tauschrings
Bereits früher galt das Prinzip des Tauschens als äußerst sinnvoll. Nur wurde in den Zeiten des Mittelalters oder der Gotik statt ein paar Nachhilfestunden für PC-Benutzer und dem Großeinkauf mit einem Kastenwagen eben ein Acker gegen ein Pferd getauscht. Doch es ist vor allem dem deutsch-argentinischen Kaufmann und Finanztheoretiker Silvio Gesell zu verdanken, dass dieses Prinzip neu entdeckt wurde. Er hat zu Beginn des letzten Jahrhunderts mit dem Buch „Die Natürliche Wirtschaftsordnung (NWO)“ den Grundstein zu dem heutigen Tausch-System gelegt. Knapp 50 Jahre später entdeckte der Kanadier Michael Linton die Idee neu und gründete das LETS (Local Exchange Time System). Er fügte dem System die Tauschzentrale hinzu, in der jeder Teilnehmer sein eigenes Konto bekam und gründete die erste Marktzeitung, in der die Angebote und Gesuche der Teilnehmer aufgeführt werden. Vor allem im England der 80er Jahre, gebeutelt von Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit, setzte sich diese Idee schnell durch. Aber auch in der Schweiz wurden sehr früh die Vorteile dieses Systems erkannt. Der größte existierende Tauschkreis besteht in Argentinien. An ihm nehmen über 120.000 Leute teil und er war sogar auf der EXPO 2000 vertreten.
Links
Weitere Informationen zum Thema Tauschring und die nächste Kontaktadresse für ganz Deutschland findet man im Internet unter folgenden Links:
http://www.lets-muenchen.de/
http://www.tauschring.de/adressen.php#80000
http://www.tauschring.de/d0501din.htm
Redaktion: Patricia Kurz
Bild: pixabay.com
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