Der eigene Chef sein. Inspiriert von eigenen Ideen die Ziele durchsetzen, kreativ und unabhängig arbeiten. Eine traumhafte Vorstellung. Doch so schön diese Berufsvorstellung auch ist, sie hat auch Schattenseiten. Eine davon ist die Frage der richtigen Versicherungen. Denn jede Versicherung kostet Geld. Und das muss ein Selbstständiger erst einmal regelmäßig verdienen um sich rundum sicher schützen zu können. Besonders prekär: Der Bundestag will eine Zwangsrente für Selbstständige einführen. Und das könnte der Tod von vielen jungen, selbstständigen Unternehmen bedeuten…
Inhalt
- Jeder zehnte Selbstständige hat kein Geld für die Altersvorsorge
- Erst die Firma, dann die Rente
- „Die Beiträge müssen spürbar weh tun!“
- Optimale Versicherung nur durch hohe Einnahmen möglich
- Versicherungen nicht über 24 Monate Laufzeit abschließen
- Können gesetzlicher Versicherungen helfen?
- Kommt 2013 die Zwangsrente?
Jeder zehnte Selbstständige hat kein Geld für die Altersvorsorge
In Deutschland haben sich knapp 2,5 Millionen Menschen selbstständig gemacht. Rund ein Drittel davon verdient laut einer Studie des Finanzberatungs-Unternehmens „Finareo“ monatlich weniger als 1.100 Euro. Nicht allzu viel, wenn man bedenkt, dass von diesem Geld die Lebenskosten und das Überleben der eigenen Firma zu bezahlen sind. Für große finanzielle Sprünge bleibt da kein Raum. Erst recht nicht für Versicherungen. Die Folge ist, dass mindestens jeder zehnte Selbstständige für die Altersvorsorge keinen Cent zur Verfügung hat. Experten schlagen deshalb bereits länger Alarm. Die drohende Zunahme der Altersarmut nimmt gewaltige Dimensionen an. Und dieses Problem wird in einigen Jahren ein riesiges Loch in die Staatskasse reißen.
Erst die Firma, dann die Rente
Die größte Schwierigkeit bei der eigentlich so notwendigen Altersvorsorge und dem Versicherungsschutz liegt darin, dass der Selbstständige kein festes monatliches Einkommen hat. Plötzlich auftretende Risiken, zum Beispiel die Finanzkrise vor wenigen Jahren oder ein unerwarteter Krankheitsfall, kann das ganze finanzielle Gerüst in kurzer Zeit zusammenbrechen lassen. An allererster Stelle muss bei Selbstständigen vor allem das ausreichende finanzielle Polster zum Überleben der Firma vorhanden sein. Erst dann kann man sich Gedanken machen, wie die Altersvorsorge auszusehen hat. Und neben der Altersvorsorge gibt es natürlich auch noch andere Versicherungen, die dringend notwendig sind.
„Die Beiträge müssen spürbar wehtun!“
Diplom Betriebswirt Stefan Cavicchi aus München kennt die Problematik. „Viele, gerade junge Selbstständige wissen nicht, welche Versicherungen sie beim Schritt in die Selbstständigkeit brauchen, welche Unkosten auf sie zukommen können“, erklärt er die Situation. Und: „Die Beiträge für Renten-, Kranken- und Zusatzversicherungen müssen spürbar wehtun, sonst sind sie zu niedrig!“ Die Deutschen geben im Jahr pro Kopf etwa 1780 Euro für Versicherungen aus, ergab eine Umfrage des Bundes der Versicherten (BdV). Im Durchschnitt hat jeder sechs Policen abgeschlossen. Einige davon sind aber nicht unbedingt nötig oder überschneiden sich beim individuellen Schutz.
Optimale Versicherung nur durch hohe Einnahmen möglich
Doch welche Versicherungen braucht ein Selbstständiger tatsächlich? In diesem Fall sind sich die Experten einig. Jeder Selbstständige braucht zuerst einmal eine Krankenversicherung, sowie eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Erst, wenn all diese Versicherungen bedient worden sind, kann an eine Altersvorsorge gedacht werden. So weit die Meinung der Experten. In der Praxis sieht das allerdings oft anders aus. „Wenn man zum Beispiel von monatlichen Einnahmen um die 4.500 Euro ausgeht, sollte der Rentenversicherungsanteil bei etwa 20 Prozent liegen, also 900 Euro. Kommen dann noch Krankenversicherung und Vorsorge dazu, sind 2.000 Euro schnell beisammen“, erklärt Stefan Cavicchi. Falls also alle Versicherungen, die eigentlich notwendig wären, auch finanzierbar sein sollen, bräuchte der Selbstständige enorme Einnahmen von rund 10.000 Euro! Also knapp zehn Mal soviel wie viele Selbstständige tatsächlich haben!
Versicherungen nicht über 24 Monate Laufzeit abschließen
Stefan Cavicchi rät deshalb „Rentenversicherungen zu Beginn immer in einen Zeitrahmen nicht über 24 Monate abzuschließen.“
Ganz wichtig ist für ihn das Thema Arbeitsunfähigkeit, egal, ob es sich dabei um einen Krankenhausaufenthalt oder nur eine Krankschreibung handelt. „Denn wenn ich 100 Euro am Tag zum Leben brauche, dann muss das Geld auch da sein!“ Und bei den Krankenversicherungen ist es unabdingbar, sich genau zu informieren um die günstigste zu finden. Natürlich ist es, je nach Beruf, auch wichtig heraus zu finden, ob der Versicherungsschutz auch individuell passend ist.
Ein Handwerker braucht in der Regel einen weit ausgedehnteren Krankenversicherungsschutz als zum Beispiel ein Webdesigner. Und noch ein Tipp vom Versicherungsexperten: „Wenn der Selbstständige auch nach zwei Jahren nicht genügend Einnahmen hat um all seine notwendigen Versicherungen bezahlen zu können, sollte er zurück ins Angestelltenverhältnis, das Projekt Selbstständigkeit ist damit wahrscheinlich gescheitert!“
Können gesetzliche Versicherungen helfen?
Aber natürlich gibt es Möglichkeiten, diesem Dilemma zu entkommen. „Vielleicht gibt es für die Selbstständigen auch die Möglichkeit in die gesetzlichen Versicherungen einzutreten. Kann zu einem späteren Zeitpunkt eine rentablere, private Versicherung aus positivem Gewinn finanziert werde, ist ein Wechsel möglich“, rät Cavicchi. Der Mindestbeitrag für freiwillig Rentenversicherte liegt für 2012 übrigens bei 78,40 Euro monatlich. Nur: Eine ausreichende Altersvorsorge ist das nicht. Bei einer Inflation von 2 Prozent im Jahr kommt im Alter nur eine Minimalrente dabei heraus. Ohne soziale Zuschüsse wäre der Lebensabend nicht zu meistern. Das wiederum bedeutet, dass es ohne eine zusätzliche private Versicherung nicht funktioniert. Hilfreich können verschiedene Berufsverbände sein, die meist günstige und auf die eigentliche Tätigkeit zugeschnittene Versicherungen wie Invalidität, Berufsunfähigkeit, Kapital oder Rente anbieten. Welche Möglichkeiten es dabei zum Beispiel für Apotheker, Medienschaffende oder Künstler gibt, ist am einfachsten bei den jeweiligen Gewerkschaften oder Verbänden zu erfahren.
Kommt 2013 die Zwangsrente?
2013 soll im deutschen Bundestag ein umfassendes Rentenpaket beschlossen werden, das Selbstständige dazu verpflichtet eine Zwangsrente von 400 Euro monatlich abzuschließen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will so die immer größere Altersarmut verhindern. Auf den ersten Blick erscheint dieser Gesetzeseinwurf positiv. Schaut man allerdings etwas genauer hin, gibt es einige schwerwiegende Kritikpunkte. Betroffen sind zum Beispiel vor allem junge Selbstständige, die in der Anfangsphase ihrer Selbstständigkeit meistens keine Chance haben, neben den notwendigen Krankenversicherungskosten auch noch monatlich 400 Euro für die Zwangsrente aufzubringen. Geschweige denn, dass sie von Anfang an mit einem festen Einkommen rechnen können. Doch die Zwangsrente ist einkommensunabhängig! Die Existenz in der Gründungsphase ist damit also stark gefährdet.
Außerdem sind gerade diese jungen Selbstständigen besonders engagiert beim Aufbau ihrer beruflichen Zukunft. In einigen Jahren, wenn sie ihre Selbstständigkeit gesichert und ausgebaut haben, könnten sie ohne Probleme ihre Altersvorsorge finanzieren. Zudem gibt es keine Wahlfreiheit, in welcher Form die Versicherung abgeschlossen werden kann. Sie ist nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar, nicht kapitalisierbar und wird ausschließlich als Rente ausgezahlt. Eine Lösung wäre einkommensgebundene Rentenversicherung. Außerdem wäre es wichtig, dass die Form der Altersabsicherung selbst bestimmt werden kann. Mehr Informationen zu diesem Thema gibt es hier. Weiterhin gibt es die Möglichkeit mittels einer Petition diesen Gesetzesentwurf zu verhindern. Unter folgendem Link kann jeder, der nicht einverstanden ist, seine Stimme abgeben. Abgabeschluss ist der 22. Mai.
Redaktion: Patricia Kurz
Fachredaktion: Stefan Cavicchi
Bild: pixabay.de
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