Drei Wochen lang herrscht Ausnahmezustand – egal, ob in Deutschland, England, Frankreich, Tschechien oder sonst wo auf dem europäischen Kontinent. Und sogar Österreich fiebert mit. Nicht ohne Grund, denn unser kleines Nachbarland ist neben der Schweiz der Gastgeber aller europäischen Länder. Worum es geht? Natürlich um die Fußball-Europameisterschaft. Drei Wochen lang dreht sich nun alles um das „Runde, das ins Eckige muss!“ Dabei waren die Anfänge dieses Turniers vor gar nicht allzu langer Zeit eher bescheiden. Doch der Siegeszug dieses beinharten Ball-Wettkampfs ließ sich weder durch mangelndem Enthusiasmus noch durch herbe Verluste aufhalten… Hätten Sie’s gewusst?
Die Geschichte der Europameisterschaft steckt im Gegensatz zur Weltmeisterschaft noch in den Kinderschuhen. Denn während der Weltverband der Fifa (Internationale Föderation des Verbandsfußballs) bereits seit 1930 zum internationalen Kräftemessen auf dem Spielfeld anpfiff, gibt es die Europameisterschaft, organisiert von der Union of Football Assocation (UEFA) erst seit 1960. Damals hieß das Turnier übrigens noch „Europapokal der Nationen“ und war besonders bei den deutschen Spielern nicht gerade willkommen. Als „reine Zeitverschwendung“, kommentierte der damalige deutsche Bundestrainer Sepp Herberger die EM und so kam es, dass das deutsche Team weder zur Premiere 1960 noch bei den Spielen vier Jahre später auf dem Platz aufmarschierte. Dass die deutsche Mannschaft allerdings bei der dritten EM 1968 ebenfalls durch „Nicht-Vorhanden-Sein“ glänzte, lag vor allem daran, dass sie sich beim vorherigen Qualifikations-Spiel gegen Albanien mit einem schwächlichen 0:0 selbst ins Abseits gestellt hat. Doch danach ließ sich die deutsche Elf nicht mehr aufhalten. Insgesamt drei Mal haben sie den begehrten Pokal stolz für sich beanspruchen dürfen – mehr als alle anderen Ländermannschaften bisher! Bereits ihre erste Teilnahme an der EM 1972 führte zum Finalsieg gegen die Sowjetunion. Dabei galt die Mannschaft damals als alles andere als siegessicher. Immerhin hat Nationaltrainer Helmut Schön seine „jungen Wilden“ aufs Spielfeld gelassen. Darunter Spieler wie Franz „der Kaiser“ Beckenbauer, Paul Breitner oder Günther Netzer – der heute übrigens als Kommentator der internationalen Spiele ebenfalls einen Kult-Status erreicht hat. Das Spiel der deutschen Mannschaft damals ist bis heute der „Inbegriff des ästhetischen Fußballs“ geworden! Stolze Pokal-Gewinner waren die deutschen Spieler dann noch einmal 1980 gegen Belgien (2:1) und 1996 gegen Tschechien (2:1).Das höchste Torverhältnis (Elfmeterschießen eingeschlossen) hat ebenfalls Deutschland erreicht. 1976 gegen CSSR/Tschechien hat sich die Nationalmannschaft mit 8:5 geschlagen geben müssen. Unter anderem, weil Uli Hoeneß verschießt und Antonin Panenka einen „schwejkschen Elfmeter“ hinlegt und damit Sepp Maier wortwörtlich in seinem Tor liegen ließ!
Doch die Europameisterschaft hat in ihrer Geschichte noch einige andere Anekdoten, Besonderheiten und Überraschendes zu bieten. Zum Beispiel, dass der heutige UEFA-Präsident Michel Platini für sein Heimatland Frankreich während der EM 1984 insgesamt neun Tore in fünf Spielen geschossen hat und damit bis heute zum absoluten Torschützenkönig wurde. (Vielen Dank für die folgende Anmerkung an Wolfgang G.) Platini hat im Endspiel von 1984 auch ein Tor geschossen. Frankreich hat 2:0 gegen Spanien gewonnen und ist damit zum ersten mal Europameister geworden.
1992 mussten sich die Spieler der dänischen Mannschaft dagegen ausgesprochen plötzlich auf eine Teilnahme bei den Europameisterschaften einstellen. Die komplette Mannschaft urlaubte gerade entspannt, als sie die Nachricht ereilte, dass Jugoslawien an den Spielen gegen allen Erwartungen nicht teilnehmen würde. Stattdessen mussten die Dänen ran. Sie reisten übernächtigt, unvorbereitet und mit Fast Food im Magen an – und wurden Europameister! Zwischen den Spielen sollen sie einfach ihr Urlaubsprogramm fortgesetzt haben – am Swimmingpool ihres Hotels liegen und Pommes essen. Vielleicht eines der kuriosesten Märchen der EM, aber hinter jedem Märchen steckt eben ein Funken Wahrheit.
Beinahe tragisch dagegen mutet die Geschichte der englischen Mannschaft an. Ausgerechnet bei den Europameisterschaften im eigenen Lande – immerhin gilt England als Geburtsstätte des heutigen Fußballs und hat trotzdem noch nie einen EM-Sieg erreicht – verloren sie 1996 gegen ihren größten Gegner Deutschland im Halbfinale. Wie viele bittere Tränen damals geflossen sind, vermag keiner zu zählen. Allerdings ging bei diesen Spielen die deutsche Mannschaft wieder einmal in die Analen ein. Ausgerechnet Oliver Bierhoff sorgte mit seinem Tor in der Verlängerung für das erste „Golden Goal“ der Geschichte!
Und geschichtsträchtig bleibt für alle die EM 2004 – vor allem für die Gewinner aus Griechenland. Denn die Hellenen mit Otto Rehagel als Trainer siegten völlig überraschend gegen die Gastgeber Portugal. Kurzerhand wurde die „Ottokratie“ ausgerufen und so mancher Griechenland-Tourist aus Deutschland wird bis heute besonders freundlich bewirtet! Die Gastgeber der EM 2008 – die Schweiz und Österreich – hoffen vielleicht auf ein ähnliches Wunder: Sie wollen beide, obwohl völlige Außenseiter, den Pokal gewinnen. Warum auch nicht, die Spiele der Europameisterschaft waren und sind schon immer für manche Überraschung gut gewesen!
Bild: pixabay.de
Quiz
Zu diesem kleinen Europameisterschafts-Test finden Sie folgend einige Fragen, die Sie versuchen sollten zu beantworten. Mit der dann folgenden Auswertung wird Ihnen gezeigt, was Sie von dem gelesenen Text richtig beantwortet haben. Viel Spaß!
[WpProQuiz 4]
Walter Braun says
Hallo Wolfgang,
vielen Dank für diese Anmerkung, habe den Text gleich geändert.
Viele Grüße Walter Braun – Tipps vom Experten
Wolfgang Gössinger says
Platini hat im Endspiel von 1984 auch ein Tor geschossen. Frankreich hat nicht verloren sondern 2:0 gewonnen und ist damit zum erstenmal Europameister geworden.
Kommentar zu:
„Gegen die Übermacht der Spanier war allerdings auch Platinis Schusskraft machtlos und die Franzosen haben im Finale 0:2 verloren.“