Der Weg aus der Kindheit ins Erwachsensein ist schwer – für Eltern und Heranwachsende. Die Hormone spielen verrückt, die Gefühle sind kaum noch kontrollierbar. Streit und Provokation sind an der Tagesordnung. Die Pubertät ist eine Kraftanstrengung für Körper und Geist – und lässt sich trotzdem mit einigen Wegweisern gut meistern. Das Geheimnis ist das „Gewusst-Wie“! Aus dem Kinderzimmer dringt plötzlich statt niedlicher Kinderlieder brüllend laute Musik. Die chice Jacke, gerade erst für viel Geld gekauft, wird mit Farbstiften und Schere in ein unförmiges Monster verwandelt. Und selbst die kleine Bitte den Müll herunter zu bringen, erzeugt einen Streit, der nicht selten in Tränen und Beschimpfungen endet. Spätestens jetzt ist es gewiss: die Pubertät ist da!
Der Traum vom glücklichen Familienidyll hat ein Ende. Eltern und Heranwachsende werden in den nächsten Jahren auf eine schwere Probe gestellt, die beiden Seiten äußerste Anstrengung abverlangt. Und obwohl sich die Eltern manchmal vollständig überfordert fühlen ihren Kindern beim Erwachsen werden hilfreich zur Seite zu stehen, sind es doch vor allem die Jugendlichen, die am meisten unter dieser körperlichen und seelischen Veränderung leiden müssen.
Pubertät immer früher
Der Begriff Pubertät stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Mannbarkeit“. Allgemein wird damit die Zeit bezeichnet, in der Jungen und Mädchen geschlechtsreif werden. Studien beweisen, dass dieser Vorgang heutzutage immer früher stattfindet. Sind die Jugendlichen im 19. Jahrhundert noch durchschnittlich mit 17 Jahren in die Pubertät gekommen, so findet diese Entwicklung heute bereits mit durchschnittlich elf Jahren (bei Mädchen) und 12 Jahren (bei Jungs) statt. Zum ersten Mal werden Sexualhormone im Körper ausgeschüttet – mit weitreichenden Konsequenzen (siehe dazu auch den Kasten: Die Pubertät aus medizinischer Sicht). Der Körper verändert sich, die erste Regelblutung tritt ebenso ein wie der erste nächtliche Samenerguss.
Schamhaare und Brüste wachsen, es kommt zu Wachstumsschüben. Doch noch weitreichender sind die emotionalen Veränderungen. Das „Kind“ beginnt mit einem Prozess der emotionalen und sozialen Verselbstständigung. Dieser Prozess verläuft leider nicht geradlinig und erst recht nicht ohne Schwierigkeiten. Die pubertäre Weiterentwicklung ist ebenso sprunghaft wie die damit einhergehenden Launen. Und genau diese Situation macht es allen Beteiligten so schwer. Denn die zentrale Leitstelle des Menschen, das Gehirn, ist in dieser Lebensphase eine echte „Baustelle“.
Der amerikanische Psychiater Jay Giedd, ein Pionier auf diesem Gebiet, hat herausgefunden, dass das Gehirn eines pubertierenden Jugendlichen wahre Schwerstarbeit verrichtet. Bisher ist man davon ausgegangen, dass das Gehirn eines sechsjährigen Kindes so gut wie ausgewachsen ist. Giedd hat nachgewiesen, dass in der Pubertät unter Einfluss der neu produzierten Hormone einige Hirnzellen absterben, Verbindungen gekappt und stattdessen neue Verbindungen geknüpft werden. Mögliche Folgen dieser „Neugestaltung“ sind Launenhaftigkeit, Unberechenbarkeit, Konzentrationsschwächen oder Lernschwächen.
Pubertät eine Zeit der Provokation und des Aufstands
Zusätzlich ist die Pubertät eine Zeit des Zweifelns und der Unsicherheit für die Heranwachsenden. Sie verstehen, dass die heile Welt der Kindheit vorbei ist, doch erwachsen fühlen sie sich ebenfalls noch nicht. Neue Aufgaben und Verantwortungen prägen plötzlich das Leben. Und der Teenager steht in einem ständigen Loyalitätskonflikt. Einerseits merken die Heranwachsenden, dass sich etwas in ihnen ändert und neue Bedürfnisse das eigene Ich betreffend entstehen. Andererseits sollen – und wollen – sie den Ansprüchen der Eltern entgegenkommen. Ein Entscheidungskonflikt, der Teenager nicht selten überfordert. Eine Loslösung von den Eltern und deren Regeln und Lebensweisen ist ein natürlicher, notwendiger wenn auch schwerer Prozess. Jugendliche werden plötzlich an „vernünftigen“ Maßstäben gemessen.
Denn Sinn dahinter haben sie jedoch oft noch nicht entdeckt. Ihre „Ausbruchsversuche“, die sich meist in provokantem Verhalten und Aussehen äußern, werden von den Erwachsenen leider oft als Spinnerei oder Fehlverhalten eingeschätzt, die erzieherische Maßnahmen wie Hausarrest oder Strafarbeiten nach sich ziehen. Das Ergebnis ist, dass die Jugendlichen sich noch unverstandener und allein gelassen vorkommen – und verstärkt mit Rebellion und Zurückziehen reagieren. Ein Teufelskreis!
Für die Eltern ist es schwer, jetzt die richtige Balance zwischen Führen und Loslassen, zwischen Hilfe und Behinderung, zwischen Kontrolle und Vertrauen zu finden. Jugendliche müssen sich neue Freiräume erkämpfen können, eigene Grenzen entdecken und damit einhergehend eigene Stärken. Nur alleine gelassen werden dürfen sie dabei nicht! Denn wenn aus purer Verzweiflung oder Verletzung die Kommunikation zwischen Jugendlichen und Erwachsenen abbricht, ist am Ende vor allem der Jugendliche der Leidtragende. Eltern sollten sich auch in Zeiten der schlimmsten Kontroversen immer vor Augen führen, dass ihr Kind ein selbstständiges Wesen ist, das ein Recht auf eine eigene Meinung und Privatsphäre hat.
Jolanda Isis says
Unglaublich nützlich danke