Seit zwei Jahren gibt es die neue Unterhaltsreform. Der Staat will damit für mehr Gerechtigkeit und mehr Eigenverantwortlichkeit im Falle einer Scheidung sorgen. Der folgende Bericht erklärt, was sich verändert hat, wer die Begünstigten sind und welche teilweise katastrophalen Folgen diese Gesetzesänderung mit sich bringt!
23 Jahre war Katharina S. verheiratet. Ihr Mann, ein erfolgreicher Unternehmer, sorgte für den zugegebenermaßen luxuriösen Lebensunterhalt, während sie sich um den Haushalt kümmerte. Eingekauft wurde ausschließlich in Feinkostläden und bei teuren Designern, die Ferien verbrachte man auf den Malediven, die Villa wurde zum vorzeigbaren Statussymbol. Dann kam die Scheidung – und mit ihr der finanzielle Absturz von Frau S.. Denn der Richter entschied, dass die mittlerweile über 50-jährige nach einem Jahr Unterhalt von ihrem Ex-Mann selbst in der Lage sein müsste, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mit was, schließlich hatte die Geschiedene seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr in ihrem ursprünglichen Beruf als Sekretärin gearbeitet, wurde nicht geklärt.
Auch für Monika B. kam mit der Scheidung das böse Erwachen. Obwohl die 43-jährige zwei Kinder im Alter von 7 und 15 Jahren zu versorgen hatte, wollte ihr Mann die Unterhaltszahlungen für seine Exfrau einstellen. Seine Begründung: Er hatte in der Zwischenzeit wieder geheiratet, zusammen mit seiner neuen Ehefrau ein Kind bekommen. Seine erste Ehefrau, eine Studienrätin, könne sehr wohl Vollzeit arbeiten gehen. Immerhin hatte sie auch während der gemeinsamen Ehe Teilzeit gearbeitet.
Inhalt
- Einmal Chefarzt-Gattin, immer Chefarzt-Gattin
- Die „0-8-15-Regel“
- Die neue Unterhaltsrechtsform
- Nachtrag
- Links zum Thema
Einmal Chefarzt-Gattin, immer Chefarzt-Gattin
Beide Fälle sind keine Seltenheit in Deutschland. Mit der neuen Unterhalts-Gesetzgebung vom 01.01.2008 hat sich vieles verändert. Vor allem das Prinzip „einmal Chefarztgattin, immer Chefarztgattin“, also dass der Verdienende bis in alle Ewigkeit dem Nicht-Verdienenden Unterhalt zu zahlen hat, gibt es nicht mehr.
Die Unterhaltspflicht für die gemeinsamen Kinder – egal ob aus ehelichen oder nicht ehelichen Verhältnissen – hat Priorität. Dieses Prinzip greift natürlich auch, wenn der Mann die Kinderbetreuung übernommen hatte und die Frau arbeiten ging.
Doch ob der Ex-Ehepartner nachehelichen Unterhalt bekommt und wie lange, müssen jetzt die Richter im Einzelfall prüfen. „Es herrscht noch immer große Rechtsunsicherheit“, klagt die Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Familienrecht“ im Deutschen Anwaltsverein, Ingeborg Rakete-Dombek, in einem Bericht auf der Webseite der „Welt“.
Die „0-8-15-Regel“
Früher galt die Regel, dass eine alleinerziehende Mutter nach der Scheidung während der ersten acht Lebensjahren ihres Kindes nicht arbeiten gehen musste. Bis zum 15. Lebensjahr ihres jüngsten Kindes konnte ihr allerhöchstens Teilzeitarbeit zugemutet werden. Und erst danach kam, wenn überhaupt, eine Vollzeitbeschäftigung in Frage.
Für ihre Existenz hatte der Ex-Mann zu sorgen. Auch „0-8-15-Regel“ genannt. Hatte die Frau keinen Beruf, musste ihr Ex lebenslang zahlen. Eine simple, wenn auch nicht immer gerechte Rechtsprechung. Immerhin bestand die Gefahr, dass die Ex-Gattin nur noch auf seine Kosten lebte. Eine nacheheliche Existenzsicherung sozusagen.
Allerdings muss dazu erwähnt werden, dass die Aufteilung: „der Mann geht arbeiten, die Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder“ früher der gesellschaftlichen Norm, wenn nicht sogar den Erwartungen, entsprach und oftmals auch so vom Gatten erwünscht wurde. Sich selbst eine Karriere aufzubauen war für die Ehefrau meist ein Ding der Unmöglichkeit, auch, weil es oft keine ausreichenden Kinderbetreuungsstätten gab.
Eine arbeitende Mutter wurde schnell als „Rabenmutter“ abgestempelt. Und neueste Studien belegen, dass sich bis heute die berufliche wie auch finanzielle Erfolgskurve bei Männern und Frauen ab 30 trotz gleicher Ausbildung extrem unterscheiden. Bei den Männern steigt sie rapide an, bei Frauen sinkt sie.
Die neue Unterhaltsrechtsform
Mit der neuen Unterhaltsrechtsform vom 01.01.2008 will der Staat mehr Gerechtigkeit in diese Scheidungs-Havarie bringen. Darin heißt es: Unterhalt kann nur verlangen, wer bedürftig ist, das heißt, wer mit seinen eigenen Einkünften aus Erwerbstätigkeit oder Vermögen seinen Lebensbedarf nicht selbst decken kann. Wie das genau auszusehen hat, muss jetzt meist im Einzelfall vor Gericht geklärt werden. Dabei stehe folgende Punkte im Vordergrund
- ob minderjährige Kinder zu betreuen sind
- welche berufliche Qualifikation der/die Betreffende hat
- in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen die Eheleute leben
- wie alt und wie gesund die Eheleute sind
- wie lange die Ehe gedauert hat
Je jünger, gesünder und beruflich qualifizierter der Ex-Ehepartner ist, um so eher ist ihm die eigene finanzielle Versorgung zuzutrauen. Ausschlaggebend ist auch, ob der Ex-Partner bereits während der Ehe gearbeitet hat. Damit will der Gesetzgebung die Eigenverantwortlichkeit stärken.
Eine glasklare Regelung gibt es jedoch nicht. Wenn eine Frau zum Beispiel nachweisen kann, dass sie in den Abendstunden ihre Kinder betreuen muss – und welche Mutter tut das nicht – ist sie nicht unbedingt zu Vollzeitarbeit verpflichtet. Das Gleiche gilt für Mütter von kranken Kindern oder wenn keine ausreichende und zuverlässige Kinderbetreuung gegeben ist.
Auch der Ex-Partner, der auf Grund des Alters keine Chance mehr auf eine Arbeitsstelle hat, muss nicht zwingenderweise Harz-IV anmelden. Denn ehrlich gesagt, wer stellt schon noch eine über 50-jährige Sekretärin ein, die seit zwei Jahrzehnten nicht mehr in ihrem Beruf tätig war? Eine gewisse Verantwortlichkeit bleibt auch jetzt noch beim verdienenden Ex-Partner.
Wie der Unterhalt letztendlich geregelt wird, liegt damit im Ermessen des Richters. Ob diese Vorgehensweise wirklich mit der erwünschten Gerechtigkeit übereinstimmt, sei dahin gestellt. Ohne ausreichende Beratung durch einen Rechtsanwalt kann das Urteil auf jeden Fall für die eine oder andere Partei katastrophal enden.
Nachtrag
Monika B. muss nicht Vollzeit arbeiten gehen. Die Versorgung der Kinder und der damit verbundene Arbeitsaufwand wurde mit eingerechnet. Sie hat eine 70-Prozent-Beschäftigung, ihr Ex-Mann muss weiter neben dem Unterhalt für die Kinder auch ihr finanzielle Unterstützung zukommen lassen.
Frau S. Lebt jetzt in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Der Gang zum Feinkostladen gehört für sie der Vergangenheit an. Sie kauft beim Discounter ein. Ihr Mann lebt immer noch in der ehemals gemeinsamen Villa und fährt nach Asien in den Urlaub.
Links
Unter folgenden Links gibt es mehr Informationen zum Thema Unterhalt:
Redaktion: Patricia Kurz
Bild: fotolia.de
Lisa says
Meine Tochter sucht gerade einen Rechtsanwalt für Ihre Scheidung. Ich wusste nicht, dass es eine Unterhaltsreform gibt. Gut zu wissen, welche Auswirkungen diese Reform auf die finanzielle Situation von geschiedenen Paaren haben könnte.
Erla Kling says
Vielen Dank für diesen Artikel zur Unterhaltsreform. Gut zu wissen, dass die 0-8-15 Regel nicht mehr gilt. Ich möchte mich scheiden lassen und werde mich zum Unterhalt mal von einem Rechtsanwalt für Familienrecht beraten lassen
Elisabeth says
Ich denke, dass es schon mit Partner nicht leicht ist, Kinder groß zu ziehen. Es ist schade, dass dort nicht noch besser unterstützt wird. Vielleicht kann man mit einem guten Anwalt für Scheidungsrecht Möglichkeit gute Unterhaltszahlungen für die verbrachten Ehejahre erzielen, sodass man nicht Vollzeit arbeiten muss.
Gisele Kraushaar says
Ich wusste nicht, dass die Unterhaltszahlungen auch vom Alter abhängig sein kann. Ich denke es ist schwer rauszufinden ob jemand Anspruch hat oder nicht. Mein Bruder lässt sich scheiden, daher ist es wichtig.
Mailin Dautel says
Ich hätte nicht gedacht, dass der Unterhalt an die Dauer der Ehe festgemacht werden kann. Am Ende denke ich das wichtigste, dass wenn Kinder mit betroffen sind, dass für diese gesorgt wird. Da ist der Staat ja eigentlich immer recht hinterher. Ich finde es aber eigentlich richtig, dass auf die Gehälter geschaut wird und auch ob Unterhalt notwendig ist und die Höhe individuell angepasst wird.