Flunkern, Schwindeln und Lügen gehören zum Mensch sein. Jeden Tag sagen wir mehrmals die Unwahrheit! Neue Forschungen haben ergeben, dass im Schnitt 200 Mal am Tag von jedem von uns gelogen wird. Im großen Rahmen sind Lügen aber sehr teuer, sie können sogar Menschenleben kosten. In Politik, Versicherungswesen und der Wirtschaft spricht man von einer „neuen Lügenplage“, deren Schäden alleine in den USA auf 994 Milliarden US-Dollar jährlich beziffert werden. Um die grassierende „Lügenseuche“ einzudämmen nehmen Unternehmen immer öfter die Hilfe von Lügen- Spezialisten in Anspruch. Deren Wissen kann auch im kleinen Rahmen äußerst nützlich sein.
Gute Lügen, schlechte Lügen
85 % der jungen Paare sagen sich nicht die Wahrheit, wenn’s um Expartner geht und Verheiratete schwindeln in jedem zehnten Gespräch ihren Partner an. Denn: Will man die Wahrheit wirklich immer hören? „Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“, sagt ein chinesisches Sprichwort, und so ist es zu verzeihen, dass im Schnitt 50 % aller Lügen zu unserem Wohl geschehen und dass gnadenlose Ehrlichkeit auch nach hinten losgehen kann – wie der Autor Jürgen Schmieder feststellte, der 40 Tage lang einen Selbstversuch startete und blaue Flecken und einen verlorenen Freund beklagen musste. Frauen flunkern 180 Mal am Tag, wie der Psychologe und Anthropologe Paul Ekman zählte, und Männer 220 mal. Frauen schwindeln laut Ekman eher für andere, um deren Gefühle zu schützen oder ihr Selbstwertgefühl zu stärken, Männer lügen für sich selbst – daher nennt Ekman die Männer „Das schwache Geschlecht“. Frauen fühlen sich beim Lügen, selbst für die „Gute Sache“ aber deutlich schlechter als Männer. Und Frauen sind besser dazu in der Lage, Täuschungsmanöver unter Freundinnen aufzudecken als Männer das unter ihren Kumpels können.
Die neue Lügenseuche
Die Hälfte der Lügen geschieht also aus Höflichkeit oder um uns zu schützen. Schlimmer aber als die ca. 100 Lügen aus Höflichkeit oder Bequemlichkeit sind also die anderen 100! Denn davon beeinflussen ca. zehn Schwindeleien täglich maßgeblich unsere Entscheidungen. Unwahrheiten und Betrug grassieren derzeit immer stärker, die Sitten sind rauer geworden, die Gewinnspannen höher, die Moral sinkt. In Verhandlungen, Wahlkampfversprechen, Besprechungen oder Commitments wird ohne Hemmungen getäuscht, dass sich die Balken biegen. Jeder vierte Amerikaner findet es okay, die Versicherungsgesellschaft zu betrügen, ein Drittel aller Bewerbungsschreiben enthält falsche Infos und im Geschäftsleben gibt jeder Fünfte zu, dass betrügerische Machenschaften bei ihm an der Tagesordnung sind. In Deutschland ermittelte eine Umfrage, dass sich über die Hälfte der Deutschen nicht an Gesetze hält, bei Verkaufsgesprächen programmatisch gelogen wird und dass die Lügner dabei auch noch ein gutes Gewissen haben, weil es die „anderen ja noch schlimmer treiben“.
Dreiviertel der Lügen bleiben unerkannt
Doch der Mensch ist der Lügenflut nicht gewachsen, weil Lügen ein neuer „Fähigkeitenzweig“ in der menschlichen Entwicklung ist und wir gar nicht darauf gepolt sind, sie zu erkennen. Im Gegenteil: Als kleine Horde von Urmenschen waren wir darauf angewiesen, dem Nächsten bedingungslos zu vertrauen. Diese Grundhaltung prägt uns bis heute. Bis heute können wir Lügen schwer erkennen. Sogar im Laborexperiment konnten Probanden nur 46 % aller Lügen aufspüren. Eine ähnliche Quote übrigens, wie sie auch Affen in Tests erreichten. Im Normalfall bleiben sogar bis zu ca. 75 % aller Lügen unerkannt! Doch das soll sich nun ändern, meinen Großbetriebe, die die neue Unehrlichkeit bare Münze kostet und die sich nun anders wappnen können. Denn der Zweig der „Lügenerkennung“ ist von Psychologen, FBI-Ermittlern, Betrugssachverständigen, Gehirnforschern, Anthropologen und anderen Wissenschaftlern gerade frisch entdeckt worden und die neuen Lügen-Spezialisten haben Aufdeckungsquoten von über 90 %. Diese hochqualifizierten „menschlichen Lügendetektoren“ gelten als Koryphäen, die bei Vertrags- und politischen Verhandlungen oder bei hohen Versicherungssummen eingesetzt werden, um Schäden und Verluste zu vermeiden. Der Trick: Jeder Lügner verrät sich selbst, wie die Sachverständigen seit Neuestem auch messbar wissen, man muss nur wissen, wodurch.
Wieso verrät uns unser Gehirn beim Lügen
Verantwortlich für den eingebauten Körper-Lügendetektor ist unser überlebenswichtiges limbisches System, das für Emotionen und Blitzreaktionen wie Schockstarre, Flucht oder Kampf zuständig ist. Es ist in der Gehirnentwicklung deutlich älter als der Neocortex, die neueste entwicklungsphysiologische Errungenschaft des Menschen. Das „tierische“ limbische System reagiert viel schneller auf Außenreize, ist also aufrichtiger als unser „menschlicher“ Neocortex, das bewertende und kreative Gehirn, das auch den Job des Lügens übernimmt. Deshalb zeigt das limbische System und seine körperlichen Mitspieler trotz kreativer Lüge des Neocortex an, wann wir lügen. Diese Reaktionen sind so gut wie nicht zu kontrollieren, aber für Wissende sehr gut zu lesen.
Infoblock:
Das Who is Who der Lügendetektoren
Gleich mehrere Profiler, FBI-Agenten, Sachverständige und Professoren, allesamt Spezialisten für die so genannte „Nonverbale Kommunikation“, die Lügner überführen können, melden sich in diesem Frühjahr mit Büchern zu Wort: Der FBI-Ermittler Joe Navarro („Menschen lesen“), Psychologe Paul Ekman („Ich weiß, dass du lügst“), der ein Lügen-Decodierungssystem für US-Botschaften entwickelte, die Betrugssachverständige und „Lie-Spotting“-Bloggerin Pamela Meyer („Wie man jede Lüge erkennt“, http://liespotting.com/), der Wirtschaftspsychologe Dr. Jack Nasher („Durchschaut – das Geheimnis, große und kleine Lügen zu entlarven“) und der Gedankenleser Thorsten Havener („Ich weiß, was du denkst“).
„Tell“ me what it is
Lügen bedroht – vor allem den Lügner, denn Lügen setzt ihn unter Stress. Die körperlichen Reaktionen auf diesen Stress sind leicht sichtbar, man nennt sie „Tells“. Es gibt tausende von Signalen und Botschaften, die Lügner überführen, die Kunstform besteht nun, diese „Tells“ vor allem in ihrer Kombination zu lesen. Gerade die Vernetzung mehrerer „Tells“ können zeigen, dass man belogen wird. Nehmen wir einen ertappten Mitarbeiter, der etwas gestohlen hat und im Chefgespräch sitzt. Obwohl er leugnet, schaltet sein limbisches System auf „Flucht“, der Dieb kann also „Tells“ zeigen: flache Atmung, Kopf einziehen, Füße Richtung Ausgang drehen oder das Weglehnen des Oberkörpers. Dazu Augen reiben, Augen schließen, die Hände vor dem Gesicht falten (also die Hände zwischen sich und Gegner bringen) oder sich die Geldbörse auf den Schoß oder näher an sich heran legen („Mauern bauen“). „Dies alles sind klassische Reaktionen auf Unwohlsein in einem Gespräch, aber eben auch auf eine Lüge“, so Navarro, „Die normale Nervosität durch die Befragungssituation kann auch einen ehrlichen Mitarbeiter zu solchen Reaktionen verleiten, aber im Mix mit anderen „Tells“ kann man den Lügner einkreisen.
Beruhigungstells
Auf alle Reaktionen, die inneren Stress signalisieren, folgen Beruhigungsgesten, die das Unwohlsein des Befragten lindern sollen. Ein ehrlicher Mitarbeiter, der sich über die Befragung aufgeregt hat, kann sogar sauer reagieren, wird aber recht schnell wieder in den normalen Modus schalten. Er ist ja unschuldig. Der ertappte Dieb aber muss sich noch viel länger von dem Stress erholen, den sein limbisches System immer weiter ausschießt. Deshalb nutzt er Beruhigungsgesten, die aus dem „Wunsch“ des limbischen Systems herrühren, an bestimmten Nerven-Enden berührt oder stimuliert zu werden, um Endorphine zur Beruhigung auszuschütten. Navarro: Unser Angestellter beruhigt sich bald nach dem ersten Stress („Haben Sie Kopierpapier gestohlen“ – „selbstverständlich nicht!“) intuitiv selbst, denn sein innerer Stress geht weiter. Solche Beruhigungsgesten sind beispielsweise das Berühren des Halses, der „Drosselgrube“ und auch die Stelle links und rechts unterhalb des Kinns, wo der Nervus Vagus sitzt, der Nerv, der bei Stimulation den Herzschlag verlangsamt. Männer berühren statt der Drosselgrube, die typisch für Frauen ist, eher ihren Nacken, rücken die Krawatte zurecht, reiben das Kinn, die Wangen und den Mund. Auch Stirnreiben, mit aufgeblähten Backen ausblasen, Ohrzupfen, mit der Zunge von innen an den Wange entlangfahren, mit Stiften spielen, mehr rauchen, Finger trommeln, pfeifen, gähnen (womit der trockene Mund, der unter Stress entsteht, befeuchtet wird), sich Luft verschaffen (Kragen lockern, Haare im Nacken nach hinten werfen bei Frauen), den Oberschenkel entlang streichen („abwischen“) sind mögliche Beruhigungsreaktionen, deren Dauer sehr genau beobachtet werden sollte. Navarro: „Ich selbst habe festgestellt, dass gerade diese Geste, das Abwischen der Hände auf den Oberschenkeln – gepaart mit einem ruckartigen Bewegen der Füße unter dem Stuhl – ein sehr guter Indikator für eine Lüge sein kann.“ Nun geht es nun darum, herauszufinden, warum genau der Befragte sich unwohl fühlt. Navarro: „Achten Sie darauf, ob eine dieser Gesten gehäuft und länger und vor allem an welchem Teil der Befragung vorkommt!“
Kurzgefühle und Microexpressions
Paul Ekman weiß, dass die sieben Gefühlsregungen Angst, Traurigkeit, Abscheu, Freude, Verachtung, Überraschung und Wut weltweit verständlich und überall gleich sind. Auch sie werden über unser „tierisches“ Gehirn gesteuert und sind sehr nützlich, um so genannte Mikroexpressions zu erkennen. Dies sind ungefilterte Gesichtsausdrücke, die nur sekundenlang im Gesicht aufblitzen, bevor sie von einer bewussten, gesteuerten Mimik abgelöst werden können. Besonders in Befragungen mit Filmkameras, die das Abspielen in Zeitlupe erlauben, kamen Psychologen und Ermittler darauf, dass diese Kurzexplosionen der Mimik äußerst verräterische Signale und kaum zu verhindern sind. Wenn der Chef Ihnen eine verantwortungsvolle Aufgabe für den Abend aufbrummt, an dem Sie ins Kino wollten, wird die Mirkoexpression „Entsetzen“ oder „Enttäuschung“ eine Millisekunde auf Ihrem Gesicht zu sehen sein, bevor Sie von ihrem (falschen) Lächeln und einem „klar!“ abgelöst wird.
Gesten und Asymetrie
Sechs der oben beschriebenen Gefühle zeigen sich bei allen Menschen weltweit symmetrisch – nur bei Verachtung erscheint eine einseitig hochgezogene Lippe. Mimik und Gesten wie Schulterzucken oder Beschwichtigungen werden in ehrlichen Situationen stets symmetrisch genutzt, auch Lächeln, Brauen heben und so weiter – sie kommen aus dem limbischen System, das bei allen Menschen gleich ist. Einseitiges Lächeln, Schulterzucken, Handinnenflächen nach oben heben („Weiß nicht“) aber weisen sehr oft auf eine Lüge hin, so wie viele anderen „unfertigen“ oder nicht zu Ende ausgeführten Gesten. Sie sind künstlich vom Bewusstsein erzeugt und deshalb von mangelnder Überzeugungskraft. Auch das nicht zeitgemäße Erscheinen von Worten mit der dazugehörigen Gestik oder Mimik kann ein Indikator für Lügen sein, zum Beispiel erst der Satz „Sie verdächtigen mich zu Unrecht“ und erst Sekunden später eine empörte Miene. Wahre Aussagen werden stets zeitgleich von passender Mimik und Gestik begleitet. Ein weiteres Indiz für Unwahrheiten sind paradoxe Gesten. Der Satz „Dieses Angebot hört sich sehr gut an“, begleitet von einem Kopfschütteln, ist vermutlich unwahr.
Beispiele für Worthülsen, die Lügen verdecken sollenPhrasen, die die Glaubwürdigkeit betonen (Haben Sie Monica Lewinsky nachts getroffen?) Bill Clinton: „Ganz gewiss nicht!“ Grammatische Fehler (Hatten Sie keine Beziehung mit dieser Frau?) Clinton: „Da ist keine sexuelle Beziehung!“ Betont ausführliche Verneinung – Clinton: „Ich möchte, dass Sie mir zuhören, ich wiederhole das Ganze noch einmal, ich hatte ganz sicher keine Beziehung mit dieser Frau , Miss Lewinsky!“ Distanzierende Äußerungen: „Dieser Frau, Miss Lewinsky“
Spezifische Verneinung: „Ich hatte keine sexuelle Beziehung mit dieser Frau!“ – statt : “Ich bin in meinem ganzen Leben noch nicht fremd gegangen!“
Aber auch in TV-Interviews findet Meyer auf ihrer Liespotting-Site zahlreiche Beispiele. Ausweichende Antworten: „Woher hatten Sie die Dopingmittel?“ – „Solche Praktiken sind in der Sportszene üblich!“
Nachplappern der kompletten Frage oder vermehrte „Äähs“ oder „Ääähms“, „Na ja“, Seufzen, Auflachen, alles was im Vergleich zu sonst mehr stattfindet – der Lügner braucht Zeit, um die Antwort zu überlegen.
Antworten, die Schuldgefühle vermitteln sollen: „Ihr Typen habt wohl nichts anderes zu tun, als Unschuldigen hinterher zu spionieren!“
Zu viele oder zu wenige Worte: „Also das war so, ich hatte mir soeben ein Muffin gekauft, mich darüber geärgert, dass mir eine Blaubeere auf den Schoß gefallen ist und mir überlegt, was ich meiner Frau zum Geburtstag schenken soll, als mir einer hintendrauf fuhr, blablabla….“
Begründungen, die chronologisch erzählt werden und nicht der wichtigste Teil als Hauptpunkt der Erzählung zuerst.
Phrasen, die die Glaubwürdigkeit erhöhen sollen: „Ich schwöre bei Gott!“, „Um ehrlich zu sein“, „Wenn ich ehrlich bin“, „Sie werden es nicht glauben“, „So weit ich weiß“, „So weit ich mich erinnere.“
Distanzierende Äußerungen: „Dieses Audiosystem wird besonders gerne gekauft!“ statt „Dieses Audiosystem finde ich sehr gut“. Euphemismen: „genommen“ statt „gestohlen.“
Freudsche Versprecher, betontes Ausformulieren: „ICH WAR ES NICHT“ statt „Ich war’s nicht“.
Mimik
Geübte Schwindler können dem Gegenüber auch bei hanebüchenen Lügen noch gerade in die Augen sehen, aber das falsche Lächeln ohne Beteiligung der Augenmuskeln könnte sie trotzdem verraten. Auch die Länge des Augenkontaktes – im Normalfall bei 30 – 60 % des Gesprächs – überführt ihn: Wer länger in die Augen schaut, könnte das unwahrhaft tun. Das Vokabularium des Berufslügners ist groß, bis hin zu falschen Tränen – lassen Sie sich davon nicht erweichen. Achten Sie lieber auf den Rest, den der Lügner vor lauter Stieren oder entsetztem Blick nicht beachtet: Die Dauer der Mimik: Ein aufrichtiger Ausdruck hält 5 – 10 Sekunden lang an. Ein unehrlicher Ausdruck, wie ein falsches Lächeln oder fixiertes Stirnrunzeln hält deutlich länger oder sehr viel kürzer an.
NLP und Kinesiologie
Der Gedankenleser Thorsten Havener macht sich andere Erkenntnisse zunutze, wenn er die Gedanken seiner Showgäste „liest“ und spricht recht offen aus seiner Trickkiste: Er nutzt die Kinesiologie und NLP, zwei andere Wissenschaften über die Vernetzung von Körper und Gefühlen bzw. Gehirn. In seinem Buch „Ich weiß was du denkst“ beschreibt er, wie man anhand der Augenbewegungen erraten kann, was der Proband denkt. Bittet man ihn, ein Bild aus seinem Gedächtnis abzurufen, wird er (von sich aus gesehen) nach links oben blicken. Muss er das Bild aber konstruieren, auch im Falle einer Lüge, schaut er nach rechts oben. Akustische Erinnerungen und Konstruktionen lassen sich ähnlich ermitteln. Beispiel: „Was hat er gesagt“ – derjenige, der eine akustische Erinnerung an ein Gespräch konstruiert, schaut waagrecht nach rechts.
Verräterische Sprache
Auch in der Art der Aussagen entpuppen sich Menschen als Lügner – eine ganze Armada von Sprachhülsen können sie dabei überführen, wie Pamela Meyer weiß. Ihr Lieblings-Pinoccio ist dabei der frühere US-Präsident Bill Clinton in seiner Affäre mit Monica Lewinsky.
Chronologie und Erinnerungslücken
Lügner haben oft eine vorgefertigte Abfolge der Geschehnisse parat. Hakt man aber an bestimmten Teilen der Geschichte noch mal nach: „Also was war zuerst: Du hast deine Vorspeisen bekommen und dann hat Paul seinen Rotwein umgekippt?“ vertun sich Lügner öfter bei der Reihenfolge und beginnen ihre Geschichte noch mal von vorne chronologisch zu erzählen. Ein wahres Erlebnis kann von egal welchem Punkt weg richtig rekonstruiert werden. Sätze wie „Das weiß ich gar nicht mehr“ oder „Komisch, hatte ich echt vergessen“, zeugen eher von der Wahrheit. Eine konstruierte Münchhausen-Geschichte nämlich wird niemals Erinnerungslücken aufweisen, da sie der Lügner ja erfunden hat und dafür sorgt, dass sie lückenlos ist.
Das richtige Verhör
Um einen Lügner zu „überführen“, muss der sich aber sicher fühlen. Pamela Meyer versucht, um unnötigen Stress und damit eine Verfälschung der Tells zu vermeiden, stressfreie, entspannte Situationen für die Gespräche herzustellen. „Wollen Sie ein Pfefferminzbonbon, wie geht es Ihnen,“ sind Sätze, die eine entspannte Stimmung in den Raum zaubern. Mayer: „Um festzustellen, wie die Menschen ticken und wie Sie herausfinden, ob einer lügt, müssen Sie die Basic-Methode verwenden!“
B – Das Basis oder Ausgangsverhalten bestimmen – Wenn einer ihrer Mitarbeiter immer Nägel kaut, dann hat das nichts zu bedeuten, wenn er es bei einer Befragung tut. Sie sollten ab heute also Ihre Mitmenschen deutlich besser beobachten – aber niemals stieren oder starren. Das irritiert. Seine Antworten z.B. am Aufzug bei unverfänglichen Fragen im Normalmodus kennenlernen, sein Lachen, Gesten, Haltung, seine Reaktionen, kurz eine persönliche Beziehung herstellen, die es ihnen ermöglicht, auch in einer Befragung ein entspanntes Gegenüber zu haben. Denn all die wunderbaren Tells nützen nichts als Lügenüberführungsmethode, wenn sie ein Mensch ständig im Verhaltensrepertoire hat. Erst eine schlagartige Veränderung des Verhaltens, so auch Navarro, sollte deshalb bei Ihnen die Alarmglocken läuten lassen. Beispiel: Das plötzliche Erstarren oder das Auftauchen von ungewohnten Gesten bei einem bestimmten Thema des Gesprächs, in Kombination mit plötzlichem Blinzeln und Oberschenkelstreicheln.
A – Auskunft einholen – auch dieser Punkt bezieht sich auf Leute, die man nicht so gut kennt, ein neues WG-Mitglied, ein Date. Wenn man plötzlich das Gefühl hat, dass er etwas verbirgt, dann haken Sie mit offenen Fragen nach, die man nicht mit ja oder nein beantworten kann und die niemanden in die Defensive treiben. Bei z.B. Verspätung nicht: „Hast Du nicht die Bahn um 19:00 genommen?“ Sondern „Was ist passiert, als Du zur Bahn gekommen bist?“. So behalten Sie ihren eigenen Verdacht für sich und erlauben dem „Gegner“, eine längere Geschichte zu erzählen, bei der er sich eher verheddern kann..
S-Suche nach Clustern – also nach Kombinationen verschiedener Stress-Verhaltensweisen und Tells wie Herumzupfen, Händereiben, nach innen gedrehte Füße, steifer Oberkörper, Herumbeißen auf den Lippen oder geschürzter Mund, Ducken, defensive Haltung, Herumschieben von Gegenständen auf dem Tisch oder Boden, Ausdruck von Erleichterung nach der Befragung („puh, nicht erwischt worden“), Schwitzen, Fingertrommeln, geballte Fäuste, häufiges Zwinkern, nach oben zeigende Handflächen („Ich war es nicht!“), und all die anderen Tells, die auch schon Navarro beschrieb.
I – Intuition –ganz recht, vertrauen Sie auf Ihre Intuition, um beispielsweise Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Normalverhalten oder Ihrem eigenen Wissen zu einem Thema zu erspüren, oder um unlogische Behauptungen zu registrieren
C – Couragiert nachhaken – der schwierigste Teil der Befragung. Nun geht es darum, den Lügner zu überführen, ohne ihm jemals zu sagen: „Du lügst“. Wenn Sie sicher sind, dass Sie getäuscht wurden, gilt es, den Lügner mit raffinierten Fragen „einzukreisen“: „Wie finden Sie, sollte der Dieb betraft werden“ – ein Schuldiger wird eher eine milde Strafe vorschlagen. Spielen Sie Informationsvorsprung vor: „Als Sie und Frau Meier gestern Abend Überstunden machten…“ ein Unschuldiger wird sagen: „Ich war allein!“, der Dieb wird Ihnen nicht zu widersprechen wagen. Fragen Sie: „Was könnte jemanden motivieren, so etwas zu tun?“ – auch hier verraten sich manche „Täter“ oder Lügner.
Überführen Sie den Lügner
Die einzig wahre Methode ist nach übereinstimmender Meinung aller Wissenschaftler, die, die davon absieht einen Lügner zu bedrängen. Auch beim FBI hat man wenig von Geständnissen, die auf Druck oder Bedrängnis erzwungen werden. “Je mehr Sie sich sicher sind, dass jemand schuld ist, desto weniger wird es nützen, ihn in die Ecke zu drängen“, so die Spezialisten. Der Lügner wird weiterhin leugnen, auch wenn es ausweglos scheint. „Ein Lügner muss von selbst gestehen, sonst hat es keinen Sinn. Sagen Sie dem untreuen Ehemann: „Ich habe absolutes Verständnis für jeden Mann, der mit einer anderen schläft, wenn seine Ehefrau nörglerisch und lieblos ist!“ – hier dürfen auch Sie einmal lügen. So werden Sie eher ein Geständnis erzielen, als wenn Sie seinen SMS-Account checken, ihm fremde Haare auf dem Revers vor der Nase herumwedeln oder „Gib es doch endlich zu!“ brüllen.
Weitere Tricks: Reflexfragen
Sie stellen Ihre Fragen beispielsweise beim ersten Date so, dass Ehrliche in diesen nichts Böses erkennen können, Lügner sich aber ertappt fühlen. „Ich hab mal eine Frage an dich als Mann. Ein Freund von mir ist fest liiert, trifft sich aber ständig mit anderen Frauen zu Dates. Wie soll ich denn mit ihm umgehen?“ Ein ehrlicher Mann gibt Ihnen einen echten Tipp. Ein Unehrlicher fühlt sich ertappt und wird eine Verhaltensänderung zeigen: Er macht einen verkrampften Scherz, wird nervös oder pampig. Sie können sicher sein, dass auch er kein treuer Typ ist.
Der Expectancy-Effekt
Ein funktionierender Trick ist es, das Gegenüber davon zu überzeugen, dass Sie ein untrügliches Gespür für Lügen haben: „Ich durchschaue an sich jede Lüge!“. Sie könnten sogar eines der Bücher über Lügenerkennungsmethoden sichtbar in der Handtasche haben. Das Gehirn glaubt nämlich erst einmal, was es hört. Und weil ein Lügner erst einmal glaubt, dass er Ihnen nichts vormachen kann, werden sich bei ihm die Anzeichen für Angst oder Stress beim Lügen deutlich erhöhen: Kragen lockern, oft räuspern, mehr blinzeln, „Mauern bauen“ (Gegenstände zwischen sich und ihn schieben, wie Geldbeutel oder Serviettentürme….
Detailfragen
Forschen Sie bei Lügenverdacht nach Details. Ein Lügner konstruiert eine Geschichte, vergisst aber die Kleinigkeiten. Ihr Freund war gestern angeblich mit Paul unterwegs, Sie haben ihn aber in Verdacht, Sabine getroffen zu haben. Wenn Sie ihn direkt danach fragen, wird er lügen. Bohren Sie lieber nach: „Was hatte Paul an, was habt ihr getrunken, in welcher Kneipe wart ihr? Welcher Song lief? Was passierte, nachdem Paul angekommen ist? Oder warst du zuerst da?“ Wenn ein Schwindler erst Details improvisieren muss, wird er sich schnell verhaspeln, nachdenken oder „Tells“ zeigen. Je mehr Details jemand erzählt, desto wahrscheinlicher spricht er die Wahrheit (Paul kam zu spät, weil er zum Training keine frische Unterwäsche dabei hatte und nicht 20 km heimfahren wollte. Er hat Einwegunterwäsche gekauft! Wir haben uns totgelacht!“). Eine derart detailgetreue Story ist eher wahr. Lügen zu erkennen ist äußerst praktisch – aber auch Übungssache! Nicht jeder, der sich an der Nase kratzt, lügt!
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Text: Kati Hofacker
Layout: Stephan Schönberger
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