Eine neue Gefahr hat sich ganz unauffällig in deutsche Kinder- und Jugendzimmer eingeschlichen: Die Internetsucht! Es ist die Sucht nach Rollenspielen und Sozialen Medien im Internet. Jeder 10 Schüler ist davon betroffen, schätzen Experten. Wie Sie die Gefahr erkennen können, welche Präventivmaßnahmen helfen und was Sie selbst tun können erklärt Ihnen Tipps vom Experten in dieser Reportage.
Ein gewöhnlicher Abend bei Familie S. aus Nürnberg. Alle Familienmitglieder sitzen am Tisch zum Abendessen. Es wird gelacht, geredet und diskutiert. Nur ein Platz bleibt wieder einmal leer. Sohn Oliver, 15 Jahre, will von dem gemeinsamen Familienessen nichts wissen. Er bleibt vor seinem Computer. Wie immer. Denn Oliver ist spielsüchtig. Seine Droge heißt „World of Warcraft“. Und von dieser Droge kann ihn nichts und niemand abbringen. Jeder Versuch seiner Eltern scheiterte bisher kläglich. Wird er gezwungen seinen Platz vor dem Bildschirm zu verlassen, reagiert er mit Trotz- und Wutaktionen, wird im schlimmsten Fall sogar handgreiflich. Und er fängt an zu schwitzen und zu zittern, wird fahrig und leidet unter Konzentrations- und Kreislaufschwächen. Oliver braucht mindestens sechs Stunden am Tag für seine Suchtbefriedigung am Computer. Ohne das WOW – so wird das berühmteste aller Spiele bei eingefleischten Fans genannt – macht das Leben keinen Sinn mehr für ihn. Oliver ist Rollenspielsüchtig. Und er ist nicht der Einzige…
10 Prozent der Jugendlichen sind suchtgefährdet
10 Prozent der deutschen Schüler sind laut Meinung des Hamburger Suchtforschers Prof. Rainer Thomasius suchtgefährdet oder zeigen bereits Abhängigkeitsverhalten. Und die Zahl steigt stetig an. 70 Prozent der Kinder zwischen sechs und 13jahren spielen mindestens einmal wöchentlich am Computer. Ein Viertel von ihnen sogar täglich. Und wenn es nicht der Computer ist, dann sitzen mindesten 37 Prozent der Kinder vor ihren Spielekonsolen oder Videospielen. Das digitale Spielzeug hat schon längst erfolgreich Einzug gehalten in die heutigen Kinderzimmer. Ein lukrativer Einzug. 2009 verdiente die Spieleindustrie 40 Milliarden Dollar weltweit. 2013 dürfte sich der Gewinn bereits verdoppelt haben.
Die meisten Eltern bemerken die Spielsucht und Onlinesucht ihrer Kinder zu spät
Viele Eltern und Erwachsene verstehen diese Welt ihrer Kinder nicht mehr. Oder sie haben keine Möglichkeit, das Problem der Kids rechtzeitig zu bemerken. Denn die Spielsucht am Computer ist ein schleichendes Problem. Dr. Oliver Bilke vom Schweizer Zentrum für Suchtfragen im Kindes- und Jugendalter (SZSKJ) und Modellstation SOMOSA in Winterthur nennt es auch einen „schlafenden Tiger“. Viele der Jugendlichen kennen sich weit besser am Computer oder in der virtuellen Welt aus als ihre Eltern. Unangenehme Hindernisse wie ein gesperrtes Wlan werden mit wenigen Tricks umgangen. Oft wird vor allem nachts gespielt und gechattet wenn die Eltern bereits mit ruhigem Gewissen schlafen und ihren Nachwuchs in Sicherheit wähnen. Doch gerade dann surfen die Jugendlichen heimlich in die virtuelle Welt des Internets. Auffällig dabei ist, dass die Jungen vor allem Rollenspiele bevorzugen, während die Mädchen sich auf Chat-Plattformen und Sozialen Medien wie Facebook einloggen. Das Perfide dabei: Die meisten Eltern erkennen das Suchtproblem zu spät. Denn die Kinder grölen, saufen, schlägern nicht. Sie verschwinden nur einfach, ganz unmerklich.
Warum macht das Internet und Online Spiele süchtig
„Beim Spielen in der virtuellen Welt ist das Gehirn viel aktiver, gereizter als zum Beispiel beim Lesen oder Fernsehschauen“ erklärt Dr. Klaus Mathiak vom Klinikum Aachen in der ARD-Sendung „Spielen, spielen, spielen – wenn der Computer süchtig macht“. Das zeigte eine Studie am Klinikum. Die Probanten waren alle wesentlich involvierter, besonders emotional, im Vergleich zu anderen Beschäftigungen. Damit, so ist sich Dr. Mathiak sicher, ist ein Online Spiel mehr als nur ein Spiel. Durch den Aufbau von den Rollenspielen wie zum Beispiel World of Warcraft wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert.
Je besser der Gamer wird, je mehr Items (Gegenstände, die ihm helfen) er einsammeln kann, umso höher ist das Erfolgserlebnis. Das wiederum führt zu erhöhter Dopanin-Ausschüttung, einem Hormon, das glücklich macht. Allerdings muss der Spieler, wenn er weiter positive Gefühle haben möchte, auch immer weiter spielen. Genau wie Oliver. Ehemalige Interessen wie Leichtathletik sind im egal geworden. Seine Noten im Gymnasium sind so schlecht geworden, dass er die Schule wechseln musste. Mit seinen besten Freunden trifft er sich nur noch im Internet, obwohl alle in direkter Nachbarschaft wohnen. Oliver sitzt stattdessen mindestens sechs Stunden täglich vor dem Rechner. Am Wochenende können es leicht auch zehn oder mehr Stunden werden.
„Gegessen habe ich nur noch in der virtuellen Welt!“
Alltägliche Beschäftigungen wie Essen oder Schlafen sind für die Spielsüchtigen nur noch notwendiges Übel. Hungergefühle werden gerne mit Cola oder Milch unterdrückt. Das kann leicht während des Spiels zu sich genommen werden. Normale Beschäftigungen wie Essen oder Schlafen treten in den Hintergrund. „Ich hatte keine Lust mehr im realen Leben zu essen. Stattdessen habe ich mit verschiedenen Figuren aus WOW gespeist – aber eben nur in der virtuellen Welt“, erklärt in der ARD-Sendung ein Spielsüchtiger, der durch seine Onlinesucht alles in seinem Leben verloren hat: Freundin, Job, Bekannte, Lebensfreude.
Faszination Facebook
Wenn die 13jährige Jeannette nachmittags von der Schule kommt, hat sie nur ein Ziel: das Facebook. Stundenlang sitz sie vor ihrem Laptop und chattet mit ihren Freundinnen. Persönlich kennt sie zwar die wenigsten ihrer über 300 angemeldeten Freunde, doch das stört sie nicht. Die Freunde haben alle Fantasienamen wie Mangagirl200 oder Tokamisuperstar – die meisten Namen basieren auf die japanischen Zeichenfiguren, auch Mangas genannt – und ob es sich bei allen tatsächlich um Mädchen in ihrem Alter handelt, weiß keiner genau. Trotzdem fühlt sich Jeanette in dieser Cyber-Clique wohl. „Heute sind doch alle bei Facebook angemeldet“, erzählt sie. „Wer dazu gehören und mitreden will, muss einfach ein Profil haben!“ Dieses soziale Netzwerk ist in den letzten Jahren ein unbedingtes Muss für die Jugendlichen geworden.
Ronald Stolz says
Dieses Thema ist präsenter den je. Ehrenemtlich helfe ich seid über 2 Jahren Betroffenen wie Angehörigen. Mache Vorträge an Schulen und Firmen und gehe auf Messen. Ich versuche aufzuklären, Eltern sind schon ein wichtiger Schlüssel in der reihe. Ich würde noch mehr tun klar aber alles kostet Geld und in der Gesellschaft ist das Thema nicht ernsthaft genug. Ich denke das es wie überall ist, das viel passieren muss bevor sich etwas ändert.
Arme Mama says
Mein Sohn ist spielsüchtig. Langsam ich verliere ihn. Als Eltern, wir haben alles gemacht um zu sein sucht zu bekämpfen.
Trotz, durch jahrelang versuche, es hat nicht’s gebracht. Aktuelle Ergebnis ist, Er hasst uns und wünschte sich das dass wir sterben. Er hat keine Interesse an was, außer verfluchte Onlin Spiele.
Klar, jede gibt den Schuld an Eltern dafür . Aber Wir sind nicht Schuldig, Sondern Wer diese Onlin Spiele erlaubt und zugelassen hat.
Jörg says
Auf dem Schulhof werden Drogen verkauft. Wird man erwischt, bekommt man empfindliche Strafen.
Richtig.
Normalerweise muss das Gleiche für alle Rollenspiele gelten. Denn sie machen die Kinder und Jugendlichen abhängig und schwer phsychsich krank.
Stattdessen wird wieder mit dem großen Finger auf die Eltern gezeigt. Ihnen Erziehungsfehler unterstellt, mangelnde Konsequenz usw. Hat igrendjemand schon mal versucht einen fast Volljährigen Konsequenzen anzudrohen?
Es gibt auch keine Möglichkeiten zu verhindern weiterhin dort sein Geld zu verpulvern. Ich kann ihn nicht als „Spieler“ sperren lassen. weder bei Klarna, noch bei Microsoft.
Wollen wir das künftig auch bei den physischen Drogen so machen?
Ronald Stolz says
Ich denke wir stehen noch vor einem viel größeren Problem. CLOUD GAMING… Free to play games… Das ist immer noch der Anfang. Prävention ist wirklich das richtige Stichwort. Denn wir müssen nicht bei den Gamern anfangen sondern bei den Eltern. Wer will kann gern mit mir darüber sprechen.
Tutnixzursache says
Interesse zeigen hilft, setzt euch damit auseinander was die Kinder machen und bildet euch in Sachen Medien. Kann ich nicht, will ich nicht, interessiert mich nicht! Ist bei dieser Thematik hochgefährlich.
Von Tipps vom Experten:
Vielen Dank für Ihre fachlichen Hinweise zu den Begriffserklärungen!
brownblue says
Auch ich habe derzeit mit einem extrem Internet- und Videospielsüchtigem Teenager (14 Jahre) zu tun. Meinem Sohn kann ich keinen Vorwurf machen, es haben sehr viele negative Umstände zu dieser Situation geführt. Die offensichtlichen Probleme konnte ich mittlerweile bewältigen, leider stehe ich nun vor dem größten Desaster eine Lösung gegen diese ätzende Sucht zu schaffen. Auch habe ich einen Großteil zur sozialen Isolation geschaffen. Alleine schaffe ich das nicht mehr mit ihm. Beim Erstgespräch der Therapeutin stellte Sie schnell fest, dass eine ambulante Behandlung bei dieser Situation keinen Sinn macht. Sie hat mir nur empfohlen andere Experten aufzusuchen weil es keinen Platz gäbe. Sie gab mir einen Zettel mit Dringlichkeitsvermerk und einen Überweisungscode mit. Ich weiß überhaupt nicht mehr wie es weitergeht, alle Stellen scheinen überfüllt sein, und ich will mein Kind nicht irgend jemanden überlassen. Er ist sehr apathisch, lethargisch, depressiv geworden. Hinzukommt, dass seine Sehstärke viel schlechter geworden ist. Er vermeidet jegliche Gespräche und Blicke zu mir. Er ist total passiv wenn ich versuche mit ihm zu sprechen, das macht mich sehr wütend. Auch sonst hat er überhaupt keine sozialen Kontakte mehr. Er hat überhaupt keine Einsicht dass das alles unnormal ist.
Was würden Sie mir empfehlen? Welche Hinweise oder Tipps haben Sie verfügbar? Ich bin absolut planlos und total überfordert. Ich habe bereits zwei Arbeitsstellen wechseln müssen wegen häufiger Krankmeldungen (entweder weil ich total fertig bin oder weil ich den Verdacht hatte dass er die Schule schwänzt was sich leider auch bestätigt hat)
Ich kann mich kaum noch zügeln vor lauter Wut.
Ich freue mich über Ihre Nachricht.
Mo von Glückszone says
Ich sehe große Probleme auf die Gesellschaft zukommen, da die Verfügbarkeit der Medien immer größer wird. Wie im Artikel gut dargestellt, hat fast jedes Kind ein eigenes Smartphone und so Zugang zum Internet. So kann ganz schnell Internetsucht entstehen. Weiter gedacht wird es auch problematisch, wenn die Kinder volljährig werden und dann Zugang zu Online Glücksspiel haben. Da man das nicht unterbinden kann, muss die Präventionsarbeit voran getrieben werden.