Burlesque ist in aller Munde. Vor allem seit die New-Burlesque-Ikone Dita von Teese auch hierzulande Promi-Status erlangte, wachsen Burlesque-Schulen, -Shows und -Clubs wie Pilze aus dem Boden. Doch wie definiert man Burlesque? Wieso gehen hier Striptease und Frauenbewegung Hand in Hand? Und was genau sind eigentlich Brust-Pasties?
Inhalt :
- Die Entwicklung der Burlesque weltweit
- Was bedeutet Burlesque?
- Die Ursprünge der Burlesque
- Etablierung als eigenständige Form
- Wiederbelebung in den 50ern
- New oder Neo Burlesque
- Entwicklung bis heute
- Starke Frauen
Ein kleiner Club in München, Rotlicht, ein johlendes Publikum: Die Titelmelodie von „Bonanza“ ertönt, Männer, Frauen, Paare, Alte, Junge und ein homosexuelles Pärchen jubeln, als die Tänzerin auf die Bühne tritt. Sie ist ein wenig zu mollig und sieht nett und eigentlich ganz gewöhnlich aus. Bis auf die Tatsache, dass sie wenig anhat: Jeansshorts, einen Cowboyhut, einen Fransen-BH aus Leder und zwei ungeladene Colts, mit denen sie abwechselnd spielerisch in die Menge “schießt“ und die Pistolenläufe dann „ausbläst“. Ein Steckenpferd zwischen ihren Beinen scheint an der Shorts fest genäht zu sein, während sie über die Bühne hoppelt. Die Menge tobt! Am Ende der Vorstellung öffnet das Cowgirl lasziv den BH und lässt ihn auf den Kopf eines Herrn im Publikum fallen, seine Frau kreischt vor Vergnügen. Zwei Brust-Pasties, kleine Glitzerhütchen mit Quaddeln dran, verdecken gerade noch die Brustwarzen der Tänzerin. Die Menge jubelt noch lauter, keine „Ausziehn“ Rufe, sondern „Wow“ und „Juuhuuu“-Schreie schallen durch den Club, heizen die Stimmung noch weiter auf. Das Cowgirl bewegt die Schultern im sogenannten schnellen „Schultershimmy“ abwechselnd vor und zurück – und die Quasten an den Brüsten beginnen zu rotieren. Erst im Gleichklang, dann gegeneinander. Toben, Kreischen – und die Nummer ist vorbei. Das Cowgirl verbeugt sich übertrieben, spielt einen kleinen Stolperer, streichelt ihr Steckenpferdchen und sagt „Brav, Fury“, ruft „Danke, Danke“, lacht und verteilt Handküsschen in die Menge. Der Conferencier, ein ganz offensichtlich homosexueller, clownbunt geschminkter Zirkusansager tänzelt tuntig auf die Bühne, schiebt das Cowgirl von der Bühne: „Das war die bezaubernde Miss Lady Panties und ihr stolzer Hengst Fury, meine Damen und Herren! Applaus, Applaus!“ Die Menge klatscht, jubelt, das schwule Pärchen kreischt: „Miss Lady Panties, wir wollen ein Kind von Dir!“
Wir befinden uns in einer Burlesque-Show in einer Disco einer Großstadt. Wo sonst junge Leiber zu Techno-Music zucken, wird neuerdings einmal wöchentlich zur Burlesque-Show geladen – die Vorstellungen sind trotz der stolzen 20 Euro Eintritt jedes Mal ausverkauft. Was genau aber ist Burlesque?
Die Entwicklung der Burlesque weltweit
In den USA wurde die im 19. Jahrhundert entwickelte Burlesque, das Unterhaltungstheater Tanz, Gesang, Komik und angedeutetem Striptease, bereits in den 50er-Jahren wieder entdeckt. Und in den Swinging Sixties dank Pornografie und Frauenbewegung wieder vergessen. Erst in den 90ern kramte man die Burlesque wieder aus den Schubladen, entstaubte das hohe Unterhaltungspotenzial dieses Varietégenres und revitalisierte die Mischung aus Semi-Striptease, Nostalgie, frechen Sprüchen, Humor und Kostümrausch. Das Neue dabei: Frauen genießen die Burlesque ebenso wie Männer! Es geht schlüpfrig zu, selbstironisch und spaßig. Striptease, Schwertschlucker oder Feuershows wechseln sich ab mit Komik und mit ironischen oder nostalgischen Stripteasenummern – wobei die Tänzerin stets das Höschen, die Brustpasties (Brusthütchen zum Aufkleben mit Troddeln) oder mehr anlässt – und es wird stets viel gelacht. Die weltweit bekannteste Burlesque-Ikone ist Bettie Page, ihre heutige Epigonin, Dita von Teese, schaffte mit der Kunstform des stilvollen Ausziehens sogar den Sprung über den großen Teich. Ab Januar 2011 schließlich kommt „Burlesque“ als gleichnamiger – recht schlicht gestrickter – Hollywoodfilm mit Christina Aguilera und Cher (!) in den Hauptrollen auch auf der Leinwand groß raus.
Hierzulande entwickelt sich seit einigen Jahren eine überaus quirlige Szene, die internationale Beachtung findet. Die deutschen Tänzerinnen heißen Xarah von den Vielenregen, The Teaserettes, Eden Glamorosa , Bunny Clyde, Sandy Beach oder Charlette de Luxe und wollen vor allem eines: Nicht ganz so ernst genommen werden.
Was bedeutet Burlesque?
Das Wort „Burlesque“, Burleske, stammt eigentlich aus dem Theater des 16. Jahrhunderts und beschrieb ein grob-komisches Stück und die karikaturistische, lustige Überzeichnung der Charaktere. Auch Max Frisch nannte sein berühmtes Buch „Biedermann und die Brandstifter“ eine Burleske. Für das „Burlesque“- Unterhaltungstheater in ihren Glanzzeiten, den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, wurden die Elemente von Varieté, Revue, Zirkus, Vaudevilletheater, Comedy, Gesang und Tanz ebenso tragend wie das eigentliche Ausziehen der Künstlerinnen, die bis heute stets einige Kleidungsstücke anbehalten. Dafür aber konnte alleine das Ablegen der Handschuhe mehrere Minuten dauern und als humoristisch-erotische Sensation präsentiert werden. Auch in Deutschland gab es schon früh Ausformungen des Burlesque, wurde hier jedoch „Schönheitstanz“ genannt.
Die Ursprünge der Burlesque
Wann genau die Bezeichnung „Burlesque“ in den USA für die Übernahme der damals populären Form der französischen und britischen Travestie-Theater genutzt wurde, ist nicht ganz klar. Irgendwann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts traten europäische Showtruppen in den USA auf, deren pikantestes Element der Auftritt von Frauen in Hosenrollen war. In den USA eine aufreizende Sensation, da Frauen im Alltags ausschließlich Kleider und Röcke tragen durften. Diese Varieté-Shows gelten als der Ursprung der Burlesque, die später als „New York Burlesque“ weltberühmt wurde. Als erster Star der Burlesque galt in den USA Lydia Thomson, die ab 1868 – in Trikots oder kurzen Rücken – als Tänzerin in New York zum umjubelten Star wurde. Übrigens begann auch die Schauspielerin Mae West und eine Handvoll anderer Hollywood-Grazien, ihre Karrieren als Burlesque-Tänzerinnen.
Etablierung als eigenständige Form
Anfang des 20. Jahrhunderts erlebten die Burlesque-Shows der großen französischen Varietés wie das Moulin Rouge und die Folies Bergères ihre Glanzzeit. Große Tanzgruppen in vollendeter Synchronizität und dazwischen immer wieder einzelne Stars in abenteuerlichen Kostümen – von goldenen Cleopatra-Kleidern bis hin zu nachempfundenen Wasserfällen, dargestellt durch blaue Straußenfedern und tausende glitzernde blaue Steinchen am Kostüm der Tänzerin – die Shows waren Ausstattungsorgien erste Ranges. Die Ziegfeld Follies in den USA, die diese Varietéform übernahm, galten schnell als deren Kopie. So viel zum Thema Burlesque stammt aus den USA – auch hier waren die Europäer wie so oft schneller – nur mit der schlechteren Promotionabteilung.
Der Burlesque dieser Jahre wurden zusätzlich Elemente aus den so genannten Sideshows der Zirkusse hinzugefügt. Auch deren zentrales Thema – ein hübsches Mädchen zieht sich aus – wurde von Auftritten berühmter Komiker unterbrochen. Diese Idee, das erotische Amüsement des Varietés mit Humor zu paaren, löste die bis in den 20ern beliebten Vaudevilletheater mit ihren artistischen Einlagen komplett ab. Speziell die US-Brüder Abe, Billy und Herbert Minsky, die bis 1937 eine ganze Reihe von Etablissements betrieben, formten das Genre der „New York Burlesque Show“ maßgeblich. Die Tänzerin Gypsy Rose Lee beispielsweise, die Tanz mit intelligentem Small Talk verband, wurde zum Hollywood-Star und auch berühmte Burlesque-Komiker wie W.C. Fields oder Abbott & Costello avancierten zu Filmhelden.
Wiederbelebung in den 50ern
Die Karriere der Burlesque-Theater wurde vom Zweiten Weltkrieg rüde unterbrochen und erst in den 50ern wieder ausgegraben. Nach dem Krieg orientierte sich die Burlesque auch an den damals modernen Formen der Pin-Up-Kultur und machte das Fetisch- und Fotomodell Bettie Page, aber auch die Darstellerinnen Lili St. Cyr und Tempest Storm zu neuen Ikonen des Burlesque. Bis heute orientieren sich die Tänzerinnen der New oder Neo Burlesque an deren Kostümen, Looks und Frisuren. In den 60ern wurde der „echte“ Striptease populär, denn ganz nackt war das neue Ding. Außerdem machte die Frauenbewegung den erotischen Genres die Hölle heiß, während gleichzeitig die aufkeimende „Aufklärer-„ und Pornowelle jede Art von subtilem Semi-Strip unattraktiv werden ließ. Er galt als altmodisch oder zu harmlos.
New oder Neo Burlesque
Erst in den 90ern gab es Bestrebungen in den USA, kulturell auch nostalgisch zu arbeiten. Während die 80er modisch die 50er aufleben ließen, rekultivierten die 90er nun auch die musikalischen und tänzerischen Strömungen der früheren Zeiten.
Ältere, unpopulär gewordene Tanzarten wie Swing, Bauchtanz oder eben auch Burlesque wurden für eine Generation, die die Zeiten der Originale nicht mehr erlebt hatten, immer populärer. Die neue Lust am Weiblichen ließ eine ganze Armada von Tanzarchäologinnen in den Film- und Kostümarchiven kramen und bescherte urweiblichen Tanzformen wie Bauchtanz oder Burlesque eine glänzende Wiederauferstehung. Ganz neu bei der New Burlesque war, dass sie diesmal auch für ein weibliches Publikum gedacht war und dass eine noch größere Bandbreite der Elemente erlaubt war. Zwar prägten weiterhin Humor und Selbstpersiflage den Grundtenor der Vorführungen und die traditionelle Grundidee der Burlesque wurde beibehalten. Dazu aber gesellten sich kleine Theaterstücke, Fetisch-Shows, Modern Dance, Comedy, klassischer Striptease oder witzigstes Tanz-Varieté. So entfernte sich die Burlesque trotz weiterhin zelebrierter und persiflierter Auszieh-Einlagen weit weg vom klassischen Striptease, der heutzutage nur noch eine erotische Ausrichtung hat und sich an Männer wendet. An der Burlesque hingegen haben Frauen und Männer, Singles und Paare, Heteros und Homos, Alte und Junge ihren Spaß.
Entwicklung bis heute
Die bunten, vielseitigen Burlesque-Shows erlauben heute an sich fast jede Freiheit. Auch die Tänzerinnen bewegen sich vom klassischen Schönheitsideal immer mehr weg, hin zu einer unverwechselbaren Körperlichkeit und Bühnenshow, die mit ausgesuchten Kostümen, Emblemen, Symbolen oder Accessoire eine ausgereifte, oft sehr ironische Darstellung mit hohem Individualitätsgrad ermöglichen. Es gibt ebenso füllige Tänzerinnen wie nicht mehr ganz taufrische, Travestie, Schrilles und Buntes. Schräger Humor, ausgefallene Kostüme, gerne auch einmal unperfekte Körper, Kabarett und Striptease bis zum Höschen und den Brust-Pastries werden vermengt zu glitzernd-pompösen, selbstironischen Shows, die den rein erotischen Aspekt der Anfangstage des Burlesque weit hinter sich gelassen hat.
Starke Frauen
Ebenfalls anders als im Striptease oder in den frühen Burlesque-Tagen ist die Tatsache, dass die Tänzerinnen sehr selbstbestimmt ihre extrem fantasievolle Rollen kreieren, die weit weg sein können von gängigen Männerfantasien – oder sehr nahe dran. Kostüme, Ideen, Management und Tourneeorganisation liegen häufig fast völlig in den Händen der Tänzerinnen. Auch finden die Shows nicht in Striplokalen statt, sondern in Varietétheatern oder Kleinkunstbühnen, in hippen Bars, Clubs und kleinen Theatern. Beispielsweise Nektar oder Paradiso in München, der Kleinen Nachtrevue in Berlin oder der Burlesque-Bar Queen Calavera in Hamburg. Burlesque-Tänzerinnen gelten als mindestens ebenso hippe Partygäste wie Schauspielerinnen oder Models, Dita von Teese beispielsweise war mit dem millionenschweren Schock-Rocker Marilyn Manson verheiratet und steht bis heute selbstbewußt im Rampenlicht.
Das exklusive und ausführliche Interview mit der erfolgreichen Frankfurter Burlesque-Tänzerin Charlette de Luxe über Erotik, Rebellion, Make-up und Verehrer finden Sie unter folgendem Link:
Redaktion: Kati Hofacker
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Bilder : Pixabay.com und Fotolia.com
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