Der VW-Abgas-Skandal hat vor allem eins gezeigt: Was der mündige Bürger will, ist noch lange nicht entscheidend in der Politik. Welche Rechte haben eigentlich die deutschen Bundesbürger? Und welche Macht die Politiker und Lobbyisten? Wer zum momentanen Zeitpunkt einen tieferen Gedanken dieser Art wagt, muss Erstaunliches erkennen und könnte an der echten Rechtstaatlichkeit in Deutschland zweifeln. Anlass für den Zweifel ist der Abgasskandal bei VW. Denn bei genauerem Hinschauen ist leicht zu erkennen, dass hier bereits im Vorfeld einiges von Seiten der Politik unterlassen sein könnte, das mit dem Recht des Bürgers nicht zu vereinbaren ist.
Tipps vom Experten hat den Skandal von seiner politischen Seite untersucht und Erstaunliches erfahren. Wurde von allen Seiten gelogen und betrogen? Und welche Macht haben Lobbyisten?
Inhalt
- Stickstoffdioxid: Eine Gefahr für unsere Gesundheit
- Wussten die Politiker von den Tricks der Autoindustrie?
- Grenzwerte werden auf der Straße um ein Vielfaches überschritten
- Billige Abgasanlagen auf Kosten der Gesundheit
- Die Interessen der Autoindustrie sind wichtiger als der einzelne Bürger
- Welche Macht haben die Lobbyisten
- Was ist ein Lobbyist
- Die EU warnte bereits 2012
- Alexander Dobrindts eigenartige Statements
- Neue Regelung, aber ohne die Öffentlichkeit
- Werden die Bürger verarscht?
- Kommentar von Walter Braun
- Weitere Informationen zu diesem Thema
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Stickstoffdioxid: Eine Gefahr für unsere Gesundheit
Dazu muss man einige Jahre zurückgehen. Bereits seit 20 Jahren ist dem Bundesumweltamt das Problem mit Stickstoffdioxid (NO2) in der Luft bekannt. Hauptverursacher dafür sind Dieselfahrzeuge und -PKWs. Stickstoffdioxid kann bereits in geringen Mengen zum ernsthaften Lungen, Herz- und Kreislaufproblemen führen. Und die nehmen in Deutschland Jahr für Jahr zu. Deshalb arbeitete das Bundesumweltamt seit langem daran, die Grenzwerte für Abgase von Dieselfahrzeuge drastisch zu verringern.
Denn das gefährliche Dieselabgas Stickstoffdioxid NO2 hat nachweislich zum Beispiel im Jahre 2012 für über 10.000 vorzeitige Todesfälle gesorgt. Wie viele Menschen, darunter sind vor allem Kinder und ältere Menschen betroffen, tatsächlich unter den hohen Abgaswerten leiden, lässt sich nicht in genaue Zahlen fassen. Tatsache ist aber, dass selbst die Weltgesundheitsbehörde WHO wesentlich niedrigere Grenzwerte von NO2 fordert, da das Reizgas viel gefährlicher ist als bisher angenommen. Die Gesundheit eines jeden Bürgers steht also in Gefahr.
Wussten die Politiker von den Tricks der Autoindustrie?
Vor acht Jahren wurde dieses Abgas-Problem auch in Brüssel in der EU-Kommission zum Thema. 2007 kam es dann zu einer europaweiten Verordnung aus Brüssel, die bessere Atemluft für alle Bürger fordert. Wörtlich heißt es: „Eine erhebliche Minderung der Stickstoffemission bei Dieselfahrzeugen ist erforderlich.“ Und diese Minderung sollte durch ein Emissionskontrollsystem eingehalten werden, wobei jeder neue Fahrzeugtyp zuerst eine Grenzwertkontrolle im Labor bestehen Das ZDF-Magazin Frontal 21 zum Thema Abgaslügemüsste.
Die Kontrollen fanden auch statt. Allerdings mit Tricks und unter Bedingungen, die alles andere als ehrlich waren, wie das ZDF in seiner Sendung „Frontal 21″ unter dem Beitrag „Die Abgaslüge“ genauer unter die Lupe genommen hat. Besonders erschreckend ist, dass nicht nur die Autohersteller von diesen Tricks Bescheid wussten, sondern dass die Annahme nahe liegt, dass auch die Politiker sehr wohl im Bilde über diese gefährlichen Mauscheleien waren.
Grenzwerte werden auf der Straße um ein Vielfaches überschritten
So erklärte der Cheflobbyist der deutschen Autoindustrie Matthias Wissmann zum Beispiel in der Sendung, dass unterschiedliche Emissionsmesswerte selbstverständlich im normalen Straßenverkehr und auf dem Rollprüfstand im Labor durch unzählige äußere Umstände völlig unterschiedlich sein könnten.
Ergo: Grenzwerte gelten also nicht für die Realität auf der Straße. Seltsam nur, dass die Grenzwerte in der Praxis gleich ein erstaunliches Vielfaches betragen im Vergleich zu den Laborwerten. Noch seltsamer, dass Matthias Wissmann früher Verkehrsminister war, über einen guten Draht zur Politik und der Autoindustrie verfügt und über solche eklatanten Messunterschiede unterrichtet hätte sein müssen.
Billige Abgasanlagen auf Kosten der Gesundheit
„Es ist nicht so, dass die Ingenieure der Autoindustrie keine guten Abgasanlagen bauen könnten“, erklärt in dem Frontal 21-Bericht ein Insider von BMW. Er stellt fest, dass Abgasanlagen, die gut für die Umwelt und damit für den Bürger sind, teuer seien. Das bedeutet, dass das Maximieren des Gewinns der Autoindustrie auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit der Bürger geht.
Die Interessen der Autoindustrie sind wichtiger als der einzelne Bürger
Doch woher nehmen sich die Politiker das Recht heraus, über so wichtige Grundrechte wie gesunde Luft über die Köpfe eben jener Bürger zugunsten der Autoindustrie eigenmächtig zu entscheiden? Kann es daran liegen, dass die Regierung die Bedürfnisse der Autoindustrie über die Bedürfnisse der Bürger stellt? Verkehrsminister Dobrindt hat in seiner Neujahrsrede auf jeden Fall ähnliche Töne angeschlagen.
Darin heißt es: „Der Wohlstand von heute war ohne die deutsche Autoindustrie nicht möglich. Der Wohlstand von morgen ist ohne die deutsche Autoindustrie ebenso nicht möglich!“ Die Autoindustrie ist also ein gewichtiger Punkt im Regierungsgeschäft. Wird sie deshalb trotz besseren Wissens ihres Fehlverhaltens mit Samthandschuhen angefasst?
Welche Macht haben die Lobbyisten
Anzunehmen ist auch, dass die Lobbyisten in Brüssel einen gehörigen Druck auf die EU-Kommissionen ausüben könnten. Immerhin sitzen 313 Lobbyisten der Autoindustrie in Brüssel, alleine 43 gehören zu VW. Immerhin 3,3 Millionen Euro jährlich geben sie für ihre Arbeit aus. Und das alles nur mit dem Ziel, die EU-Gesetzgebung in ihrem Sinne zu gestalten, also zum Wohle der Autoindustrie.
Pascoe Sabido von der gemeinnützigen Organisation CEO drückt es folgendermaßen in dem ZDF Frontal 21 „Die Abgaslüge“ aus: „Der Profit der Industrie steht im Vordergrund. Die Gesundheit des Bürgers ist unwichtig… Die EU-Kommission stellt sich schützend vor die Autoindustrie um diese vor zusätzlichen Kosten zu bewahren.“
Was ist ein Lobbyist
Der Begriff Lobbyismus stammt aus dem Englischen und wurde in der deutschen Politik und Gesellschaft übernommen. Lobbyismus ist eine Interessensvertretung. Lobbyisten versuchen durch persönliche Verbindungen zum Beispiel zu Politikern oder Vertretern der Legislative ihre Interessensgruppierung und ihre Ziele erfolgreich zu vertreten. Häufig geschieht diese Art der Beeinflussung durch Öffentlichkeitsarbeit und Massenmedien wie Fernsehen, Talkshows oder Printmedien. In Deutschland gibt es über 2.000 dieser Interessensverbände und Gruppierungen. Eine Kontrollinstitution gibt es nicht.
Die EU warnte bereits 2012
Die EU-Kommission war natürlich nicht völlig blauäugig, was diese Vertragsverletzungen der Autoindustrie angingen. Sie verschickte 2012 einen Blauen Brief an die deutsche Regierung mit dem Hinweis, dass in Deutschland kontinuierlich und wiederholt die Grenzwerte nicht eingehalten wurden. Dieser Blaue Brief war allerdings nur zur dienstlichen Verwendung. Unternommen wurde von Regierungsseite deshalb rein gar nichts.
Alexander Dobrindts eigenartige Statements
Man kann davon ausgehen, dass die deutsche Regierung – in diesem Fall vor allem das zuständige Verkehrsministerium und Herr Dobrindt – nicht völlig überrascht gewesen sein konnte, als der Abgasskandal in Amerika seinen Anfang nahm. Trotzdem kam es bei der ersten Pressekonferenz diesbezüglich zu dem offiziellen Statement von dem Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt: „Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor!“
Diesen Satz wiederholte der Verkehrsminister auch in den folgenden Wochen gebetsmühlenartig bei jeder Gelegenheit. Als unverständlich erklärt Jürgen Resch von der deutschen Umwelthilfe in dem ZDF-Frontal 21-Beitrag die Aussage von Alexander Dobrindt. Hatte doch seine Institution das deutsche Verkehrsministerium bereits 2011 detailliert über den Gesetzesverstoß bezüglich der Abgasemissionsgrenze informiert.
Neue Regelung, aber ohne die Öffentlichkeit
Nachdem der Abgasskandal tatsächlich durch nichts mehr aufzuhalten war, ließ sich Dobrindt doch noch zu einem Zugeständnis hinab. Er gab das vage Versprechen, ab jetzt Stichproben in der Praxis auszuführen. Allerdings hat selbst dieses halbherzige Versprechen einen Haken: Die Ergebnisse dieser Stichproben werden nicht veröffentlicht! Nur Eingeweihte wissen also Bescheid, was sich auf deutschen Straßen tut. Die Öffentlichkeit hat wieder einmal keine Ahnung.
Werden die Bürger verarscht?
Zurück bleibt das ungute Gefühl des mündigen Bürgers, von der Politik sprichwörtlich verarscht zu werden. Wenn die Autoindustrie solch starken Einfluss auf die Politiker nehmen kann, wie sieht es dann mit der Pharmaindustrie aus? Oder der Energieindustrie? Oder der Lebensmittelindustrie? … Lang lebe der Lobbyismus!
Kommentar von Walter Braun:
Es stellt sich immer häufiger die Frage, was wir Bürger alles hinnehmen müssen? Wenn die Politik in vielen Bereichen den Bürger nicht mehr ernst nimmt, vielleicht sogar bewusst Lügen verbreitet, werden die Zweifel immer größer, ob unsere politischen Instanzen tatsächlich als Bürgervertreter geeignet sind. Wird tatsächlich alles nur noch nach finanziellen Gesichtspunkten betrachtet und das Wohl und der Wille des einzelnen Bürger bleibt auf der Strecke?
Die Grundwerte der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit dürfen nicht den Interessen einiger weniger geopfert werden. Es wird Zeit, die zuständigen Bürgervertreter daran zu erinnern, was wirklich ihre Aufgabe ist: den Bürger wahrheitsgetreu und nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten!
Weitere Informationen zu diesem Thema:
ZDF Frontal 21 „Die Abgaslüge
Bundesumweltamt
Weltgesundheitsorganisation
Deutsche Umwelthilfe
Redaktion: Patricia Hansen
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