Gert Dorschner
Medizin an der Schwelle zum neuen Jahrtausend
- Einführung in die Entwicklung der Medizin
Der Eid des Hippokrates – Die 4-Säfte-Lehre (Humoral-Lehre) – Das Medizinstudium – Definitionen von Gesundheit - Definition von „Naturheilkunde“
Der „innere Arzt“ – Anerkennung von Naturheilverfahren - Definition von „Ganzheitsmedizin“
- Bioenergetische Medizin
Der engere Begriff von „Bioenergetischer Medizin“ (nach Alexander Lowen) –
Der erweiterte Begriff von Bioenergetischer Medizin – Albert Einsteins Welt-Formel - Einführung in die Quantenlogik
Quantensprünge des Lebens – Das Denkmodell der Quantenlogik - Das Geheimnis der Gesundheit
- Was ist nun wahre Heilkunst?
- Medizin der Zukunft
(1) Einführung in die Entwicklung der Medizin
Der Eid des Hippokrates
Schon im Eid des Hippokrates, der von dem Begründer der antiken Medizinschule zu Schutz und Solidarität der Ärzteschaft formuliert wurde und bis heute Gültigkeit hat, wird der Grundsatz formuliert:
„ primum nihil nocere“, d. h. das oberstes Prinzip in der Medizin soll sein: „nicht schaden“.
Die individuelle Therapiefreiheit des Therapeuten bzw. Arztes, Heilpraktikers besteht nur, solange kein Schaden entsteht. Er darf alles machen, solange er nicht schadet:
„… Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem Unrecht.“
Ebenfalls ist ein Verbot der Tötung ausgesprochen. Wie später im Christentum gibt es keine Erlaubnis zur Euthanasie, denn solange wir Leben nicht erschaffen können, haben wir kein Recht, es willentlich zu beenden:
„… Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu raten. Auch werde ich nie einer Frau ein Abtreibungsmittel geben.“
Zu jeder Heilkunst gehört das Bewusstsein der eigenen Grenzen:
„… Heilig und rein werde ich mein Leben und meine Kur bewahren. Auch werde ich den Blasenstein nicht operieren, sondern es denen überlassen, deren Gewerbe dies ist.“
Schon früh war die Heilkunst mit einer klar definierten Ethik verknüpft:
„… Welche Häuser ich betreten werde, ich will zu Nutz und Frommen der Kranken eintreten, mich enthalten jedes willkürlichen Unrechts und jeder anderen Schädigung, auch aller Werke der Wollust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven.“
Bis heute ist die Schweigepflicht eine wichtige Basis des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patienten:
„… Was ich bei der Behandlung sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, werde ich, soweit man es nicht ausplaudern darf, verschweigen und solches als ein Geheimnis betrachten.“
Die 4-Säfte-Lehre (Humoral-Lehre)
In diesem Denkmodell wird Gesundheit vorgestellt als Harmonie der Ur-Elemente, Ur-Prinzipien, Ur-Qualitäten, speziell der „Körpersäfte“. Dieses „Viererschema“ erinnert mit seiner horizontalen und vertikalen Achse auffällig an das christliche Symbol des Kreuzes.
Bis ins Mittelalter wird dieses historische Viererschema im Grundprinzip beibehalten und in seinen analogen Bezügen ständig erweitert, z. B. im Sinne
- der christlich-apostolischen Lehre
- der Organbezüge
- spezieller Fiebertypen
- der Lehre von den 4 Temperamenten
- und v. a. der Astrologie.
Abbildung 1: Das Vierer-Schema
Jeder gute Arzt früherer Kulturen war meistens in einer Person Heilkundiger und zugleich Magier, Schamane bzw. Priester mit hohem Ansehen und meist auch in politisch führender Funktion.
Der antike Arzt war immer auch sein eigener Apotheker, der die Heilmittel selbst herstellte und damit einen tiefen energetischen Bezug zu seinen Arzneien hatte. Das Wissen war geheim und wurde lange Zeit mündlich unter Eingeweihten überliefert. Dieses Wissen hat sich teilweise bis in die heutige Zeit im Rahmen der Volksmedizin erhalten und wird durch die Erfahrungen (Empirie) weiterentwickelt. Religiöse Riten, z. B. Waschungen, haben ursprünglich meist medizinische Hintergründe, „Ur-Sachen“.
Die römische und türkische Badekultur z. B. wurde bis ins Mittelalter gepflegt – so lange, bis die Pest und die Syphilis, die „Geißel Gottes“ (das AIDS des Mittelalters) ihr ein Ende machte.
Der Mensch des Mittelalters hatte offenbar ein stärkeres Immunsystem als der heutige Mensch. Viele Prozeduren, die im Mittelalter üblich waren, würden wir heute – mit unserem veränderten Immunsystem – nicht mehr überleben.
Als Beispiel:
für das unglaublich robuste Immunsystem der Menschen im Mittelalter gilt das damals übliche Ausbrennen von Wunden mit Öl durch Bader. Operiert wurde damals am Krankenbett oder im offenen Hörsaal vor Studenten. Hygiene bzw. Sterilität im heutigen Sinne gab es nicht.
Der Berufsstand der Feldchirurgen und Bader gehörte damals nicht zur Klasse der Ärzte und war mit seiner Kunst aus der mittelalterlichen Hochschulmedizin (ars medicinae) ausgeschlossen. Heute entspricht er dem des Chirurgen und wird in unserer technisierten modernen Welt besonders hoch angesehen.
Das Medizinstudium
Die Medizin hat sich unglaublich differenziert und zahlreiche Spezialisierungen erfahren. Diese Entwicklung vollzog sich aber auf Kosten der ganzheitlichen Sichtweise. Immer mehr Spezialisten verstehen heute „immer mehr von immer weniger“.
Die Bedeutung des Arzt-Patienten-Verhältnisses tritt zurück zugunsten von technisierten, schematisierten und mechanisierten Vorgehensweisen.
Umfragen zufolge gibt es auf Seiten der Ärzte und auch bei den Patienten die Forderung nach naturheilkundlicher Medizin, nach einer Medizin mit weniger Nebenwirkungen.
Diese Tendenz wird im Sinne der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Patienten unter dem wachsenden Kostendruck im Gesundheitswesen zunehmend auch politisch gefördert.
(1) Definitionen von Gesundheit
- Im sozialversicherungsrechtlichen Sinne:
die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit - Im engeren Sinne:
Das subjektive Empfinden des Fehlens körperlicher, geistiger und seelischer Störungen bzw. Veränderungen - Definition der WHO:
Der Zustand völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens
(2) Definition von „Naturheilkunde“
Der „innere Arzt“
Alle Naturheilverfahren laufen einzig darauf hinaus, den „Inneren Arzt“, die Naturheilkraft zu unterstützen und in ihrem Bestreben nachzuahmen. Die Kraft, die den Kranken gesund macht, ist dieselbe, die auch den Gesunden gesund erhält. (Paracelsus)
Fast alle klassischen Naturheil-Verfahren basieren auf der Grundlage der Fähigkeit des Körpers zur Autoregulation, d. h. zur Stimulation und Förderung der Selbstheilungskräfte, zur Balancierung und Stabilisierung des Immunsystems (z. B. die Ernährungstherapie, Darmsanierungskonzepte u. a.) und zur Anregung der Selbstreinigung und Entgiftung (z. B. Ausleitverfahren).
Positiv wirkt dabei das Grundprinzip, dass die Natur unseren Bemühungen sehr entgegenkommt – wir brauchen weniger Zeit zum Gesundwerden als zum Krankwerden.
Am Beispiel „Rauchen“ wird das deutlich:
Trotz 40-jährigem Nikotin-Abusus hat ein Patient nach 10 Jahren Nikotin-Abstinenz wieder dasselbe Lungenkrebsrisiko wie ein Nichtraucher. Die Heilung erfolgt schneller als die „Kränkung“.
Anerkennung von Naturheilverfahren
Auch von der Schulmedizin weitgehend anerkannt sind die sog. Klassischen Naturheil-Verfahren, z. B. die 5 Säulen der Kneipp-Therapie (Hydro-, Ernährungs-, Phyto-, Bewegungs- und Ordnungs-Therapie), die Elektro-Therapie, Neural-Therapie, Manuelle Therapie / Chiropraktik, Mikrobiologische Therapie / Symbioselenkung, Orthomolekulare Therapie, Umweltmedizin.
Neuerdings gehört auch die Akupunktur zu den evaluierten, also schulmedizinisch anerkannten Therapie-Verfahren.
Zunehmend anerkannt sind z. B. Homöopathie, Ausleitende Verfahren / Schröpf-Therapie, (Eigen)Harn-Therapie, Bach-Blüten-Therapie, Ozon-Therapie, Licht- / Farben-Therapie, Bioresonanz-Therapie, Atem-Therapie u. a. m.
Noch nicht anerkannt und oft als spirituell-esoterisch bezeichnet sind z. B. Astrologie, Steinheilkunde, Aura-Soma-Therapie, Geistheilung u. a. m.
(3) Definition von „Ganzheitsmedizin“
- Ganzheitsmedizin ist immer eine individuelle und persönliche Medizin,
die das Wohl und die Gesundheit des einzelnen Menschen in den Vordergrund stellt. - Ganzheitsmedizin wird ausschließlich von Ärzten und Heilpraktikern praktiziert
und verlangt eine qualifizierte Ausbildung - Ganzheitsmedizin hat die Aufgabe, mit dem Hintergrund ärztlichen Wissens
diejenigen Methoden und Therapierichtungen zu sammeln, für die zumindest im Denkmodell naturwissenschaftliche Erklärungsmöglichkeiten bestehen, um diese seriös und gezielt da anzuwenden, wo eine nebenwirkungsfreie Heilung erzeugt werden kann. - Grundvoraussetzung ist dabei, dass der Mensch aus Körper, Seele und Geist besteht und die Schulmedizin als Grundlage in die Ganzheitsmedizin einbezogen wird.
- Ganzheitsmedizin ist keine Ideologie, die darauf beharrt, den „allein selig machenden“ Weg gefunden zu haben, sondern das Prinzip „Ganzheitlichkeit“ bedeutet: Viele Wege führen zum Ziel.
- Wertfreiheit ist ein wichtiger Grundsatz der Ganzheitsmedizin.
- Ganzheitsmedizin ist lehrbar und lernbar und nicht abhängig von besonderen Fähigkeiten einzelner Personen.
(4) Bioenergetische Medizin
Der engere Begriff von „Bioenergetischer Medizin“ (nach Alexander Lowen)
Der Begriff und das Konzept „Bioenergetik“ im engeren Sinne wurde etwa 1956 von dem Psychotherapeuten und Reich-Schüler Alexander Lowen geprägt und in den 50er Jahren während der therapeutischen Arbeit mit Patienten weiterentwickelt.
Bioenergetik ist eine Verbindung von Körperarbeit und Arbeit an Geist und Gefühl, um emotionale Probleme zu lösen und die vorhandenen Kräfte zur Freude und Lebenslust freizusetzen.
Der erweiterte Begriff von Bioenergetischer Medizin
Der erweiterte Begriff von Bioenergetischer Medizin geht von dem fließenden Übergang zwischen Materie und Energie aus, dem gleichzeitigen Dasein beider Zustandsformen.
Erkannt wurde dieses Prinzip um die Jahrhundertwende durch die Entdeckung des Welle-Teilchen-Dualismus
am Beispiel des Lichtes und in der Quantenphysik durch Albert Einstein. Dies wird in der „Weltformel“ (Masse-Energie-Formel) ausgedrückt.
In dieser mathematischen Gleichung ist „E“ die Energie, „m“ die Masse und „c“ die Lichtgeschwindigkeit im luftleeren Raum (ca. 300.000 km/s). Diese Formel besagt, dass sich Materie in Energie umwandeln lässt und umgekehrt Energie in Materie.
Am Beispiel des Lichtes wird es deutlich:
Licht ist einerseits unter dem Aspekt „Energie“ als elektromagnetische Welle beobachtbar und mathematisch berechenbar, zugleich unter dem Aspekt „Materie“ als Photon (= Lichtquant), obwohl wir uns beide Welten nicht zugleich vorstellen können, da sich beides angeblich ausschließt.
Wir leben also in beiden Welten, wir sind Energie und Materie, Soma und Psyche zugleich.
Gemäß dem neuro-kinesiologischen Modell nach Dietrich Klinghardt können wir Krankheit bzw. Heilung auf 4 Ebenen wie folgt beschreiben:
Abbildung 2: Neural-kinesiologisches Modell (nach Dietrich Klinghardt)
Geistig-seelische Ebene:
geistig: Freie Entscheidung für oder gegen Naturgesetze
geistiges und moralisch-ethisches Bewusstsein
seelisch: Unterbewusstsein, Gefühl, Vorstellungskraft (Imaginationskraft), Unterbewusstsein, Intuition, Glaube, Religion, Spiritualität
Der Gedanke als Ursprung, Initialzündung jeglicher Transformation
„ Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott.“
Ebene der psychotherapeutischen und spirituellen Verfahren
Bioenergetische Ebene:
Ebene der ganzheitlichen und zukunftsorientierten Präventionsmedizin, die schon in einem ganz frühen energetischen Stadium diagnostiziert und therapiert.
Spektrum der gesamten modernen bioenergetischen Diagnose- und Therapiemethoden
Ebene der bioenergetischen Verfahren; Bioresonanz-Therapie, Elektroakupunktur, Magnetfeld-Therapie, Kinesiologie, Akupunktur, Klassische Homöopathie (ab Potenz D 23) u. v. m.
Funktionelle Ebene:
Biologische Grundfunktionen (Ernährung, Verdauung, Schlaf, Atmung) mit der engen biologischen Vernetzung von Vegetativem Nervensystem, Hormonsystem, Immunsystem und Psyche. Typische Krankheitsbeispiele sind: Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerz, Zittern, Schweißausbruch, Obstipation, Diarrhöe und Schmerz.
70 % aller Indikationen in der Allgemeinpraxis beziehen sich auf diese Ebene.
Ebene der klassischen Naturheilverfahren (Kneipp, Ausleitverfahren, Physiotherapie)
Körperliche Ebene:
Linear-mechanistisches Denkmodell, Mensch als Maschine, Therapie am Symptom
Beispiel: Tumor mit langer Vorgeschichte, „Krankheit als Fall“ (Gadamer)
Verkehrung der Ziele: Ein chinesischer Arzt wäre heute pleite, denn er wurde nur so lange bezahlt, wie sein Patient gesund war.
Ebene der klassischen Schulmedizin mit handfesten Diagnosen, Therapien durch chemische Mittel und Operationen
(5) Einführung in die Quantenlogik
Quantensprünge des Lebens
Das Geheimnis von Leben und Schöpfung ist erfahrbar- und definierbar durch die Vorstellung der Polarität. Alles Lebendige, Fruchtbare im Leben braucht die Polarität, entsteht durch die Verbindung der Gegenpole, durch Vereinigung von „Gegensätzen“, z. B. Mann Frau, Yang Yin, Tag Nacht, Samen Ei, Geist/Idee Tat, Energie Materie. Gemäß der Chaostheorie herrscht eine Wechselwirkung zwischen den Prinzipien „Ordnung“ – Festigkeit, Struktur, Linearität – und „Chaos“ – Explosion, Dynamik, Sprung (Quantensprung). Das bedeutet, ein Organismus ist nur dann lebendig und gesund, wenn er beide Prinzipien beachtet, lebt, verkörpert und sie harmonisch integrieren kann.
Wir brauchen einerseits im Sinne dese Strukturerhalts die Ordnung und Hierarchie zwischen Gehirn und Organsystemen, aber gleichzeitig ist ein lebendiger Organismus dadurch definiert, dass er expandiert, wächst, eine Dynamik entwickelt, Flexibilität, Anpassung, Fähigkeit zur Veränderung hat.
Diese Veränderungen bzw. Weiterentwicklungen verlaufen bei biologischen Systemen nicht linear, sondern sprunghaft (Bsp. Blasensprung nach 9 Monaten Fetalentwicklung).
Entwicklung ist anzusehen als qualitativer Sprung auf eine höhere Daseins- und Bewusstseinsebene. Auch psychische Vorgänge, z. B. Veränderung von Verhaltensmustern, verlaufen nicht linear, sondern sprunghaft bzw. chaotisch. Demgemäß ist Krankheit definiert einerseits als „erstarrte Ordnung“ (z. B. Sklerose: Null-Linie im EKG = Tod) oder andererseits als „Chaos“ als ungesteuertes Wachstum (Bsp. Tumor: schwere Herz-Rhythmusstörungen bzw. Kammerflimmern = Tod).
Entsprechend ist Gesundheit der harmonische Wechsel (Oszillation) zwischen den Prinzipien „Ordnung“ und „Chaos“ und zeigt einen Rhythmus zwischen diesen beiden Polen (Sinus-Rhythmus im EKG = Leben).
Gemäß der dialektischen Logik geschieht Weiterentwicklung in der Auseinandersetzung zwischen den beiden Extremen (These ? Antithese) durch einen Sprung auf eine höhere Ebene, in der beide Pole integriert sind (Synthese). Leben bzw. Gesundheit ist demnach Ausbalancieren von Polarität im Sinne von Rhythmus bzw. Periodizität bei gleichzeitiger Fähigkeit zur Anpassung, Flexibilität, und damit Weiterentwicklung.
„ Stehenbleiben heißt Rückwärtsgehen, Stillstand heißt Tod.“
Abbildung 3: Ordnung – Chaos
Das Denkmodell der Quantenlogik
Nach dem Denkmodell der Quantenlogik definiert sich die Welt, in der wir leben, nicht nur durch sicht-, greif-, mess- und wägbare materielle Erscheinungsformen und „dis-crete“ (abgegrenzte) Fakten, sondern gleichzeitig beinhaltet jede Erscheinungs-Form eine ihr zugrunde liegende Idee (gr.: eidos) bzw. deren „In-Formation“. Bevor also irgendetwas „in Form“ kommt, brauchen wir eine „In-Formation“.
Deutlich wird das Gesagte am Beispiel eines Handys:
Der Wert eines Handys ist nicht über seinen sicht- und greifbaren materiellen Anteil, sondern in erster Linie über die Anordnung seiner Teile zueinander (seinen Bauplan, engl.: „structure“ nach C. F. v. Weizsäcker) definiert, die seine Funktion („Sinn“) erst ermöglicht.
Diese Funktion (Sinn) geht nicht verloren, ist ewig (lat.: continuum) und auf die Zukunft gerichtet.
Der faktische materielle Anteil ist in sich immer nur aus der Vergangenheit erklärbar und damit auch vergänglich.
Alles Lebendige verdichtet sich in einem einzigen Moment in der Gegenwart. Es konzentriert sich als erlebbare, verwirklichte Funktion in einem unendlich kurzen Moment der Gegenwart, den man nicht festhalten kann. Dies ist der energetische Berührungspunkt zwischen den beiden Welten, in dem Energie zu Leben wird.
Abbildung 4: discretum – continuum
(6) Das Geheimnis der Gesundheit
Hans-Georg Gadamer, der bedeutendste deutsche Philosoph der Nachkriegsgeschichte und einer der weltweit berühmtesten Gelehrten der Heidelberger Universität, sagt über die Gesundheit:
„ Die Medizin kennt die Gesundheit nicht… Im späteren Leben häufen sich erst recht solche Erfahrungen, die deutlicher machen, dass das eigentlich Sonderbare nicht so sehr in der Krankheit liegt als im Wunder der Gesundheit.“
Gesundheit definiert sich durch folgende Aspekte:
1 Wohlgefühl
Es liegt ganz unzweifelhaft in der Lebendigkeit unserer Natur, dass die Bewusstheit sich von sich selbst zurückhält, so dass Gesundheit sich verbirgt. Trotz aller Verborgenheit kommt sie aber in einer Art Wohlgefühl zutage und mehr noch darin, dass wir vor lauter Wohlgefühl unternehmungsfreudig, erkenntnisoffen und selbstvergessen sind und selbst Strapazen und Anstrengungen kaum spüren – das ist Gesundheit.
2 Rhythmik des Lebens
Gesundheit ist die Rhythmik des Lebens, ein ständiger Vorgang, in dem sich immer wieder Gleichgewicht stabilisiert. Wir kennen es alle: Da ist der Atem, da ist der Stoffwechsel, da ist der Schlaf. Das sind drei rhythmische Phänomene, deren Ablauf Lebendigkeit, Erfrischung und Energieaufbau bewirkt. In Wahrheit sind diese rhythmischen Funktionen nicht wirklich beherrschbar, sie geschehen mit uns.
Beispiel „Schlaf“:
Beim Schlafen geht es besonders geheimnisvoll zu. Es ist doch eines unserer größten Rätsel für unsere menschliche Lebenserfahrung. Die Tiefe des Schlafes, das plötzliche Erwachen der Verlust des Zeitsinnes, so dass man nicht weiß, ob man Stunden geschlafen hat oder eine ganze Nacht, das sind Sonderbarkeiten.
Das Einschlafen ist vielleicht die genialste Erfindung der Natur oder Gottes – dieses Wegdämmern, so dass man nie sagen kann: „Jetzt schlafe ich.“ Schwieriger ist das Erwachen, wenigstens bei der unnatürlichen Lebensweise in unserer Zivilisation, wo einem das Erwachen schwer wird.
3 Gleichgewichtszustand
Am anschaulichsten ist es, sich die Gesundheit als einen Gleichgewichtszustand zu denken. Gleichgewicht ist wie Gewichtslosigkeit, da sich die Gewichte gegeneinander ausspielen. Störung von Gleichgewicht kann nur durch Gegengewichtung behoben werden. Durch jeden Versuch, eine Störung durch Gegengewichtung auszugleichen, droht jedoch ein neuer umgekehrter Gleichgewichtsverlust.
Beispiel „Radfahren“:
Man erinnere sich, wie es war, als man zum ersten Mal auf ein Zweirad stieg. Mit welcher Kraftanstrengung packte man da die Lenkstange an, um nur ja recht gegenzusteuern, wenn das Ding sich neigte, und schon lag man auf der anderen Seite.
Die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts ist ein höchst lehrreiches Modell für unser Thema, weil es die Gefährlichkeit aller Eingriffe anzeigt. Es droht immer, dass man zuviel tut.
Da gibt es eine schöne Stelle in Rilkes Duineser Elegien: „Wie das ständige Zuwenig umspringt in das leere Zuviel.“ Das ist eine sehr gute Beschreibung, wie ein Gleichgewicht durch Forciertheit, durch übermäßigen Einsatz, verloren geht.
„ Wir sind selber Natur, und die Natur in uns erhält unser inneres Gleichgewicht.“ Gesundheit erhält sich in ihren eigenen Maßen selbst.
In der Gaia-Hypothese wird die Erde als großer, lebendiger und sich selbst erhaltender Organismus aufgefasst. Wir können den Kräften der Selbstorganisation vertrauen.
4 Einheit des Seins selbst
Bei Plato heißt es einmal, man könne den Leib nicht heilen,
ohne die Seele – mehr noch, ohne die Natur des Ganzen zu kennen.
Das meint nicht Ganzheit im Sinne einer methodischen Parole, sondern die Einheit des Seins selbst. Es ist das Ganze von den Sternenbewegungen über die Witterung, über die Wasserbedingungen und die Beschaffenheiten der Äcker und Wälder, das die Natur des Menschen in seinem Befinden und in seiner Gefährdung umschließt.
5 Die verborgene Harmonie
Heraklit sagt:
„ Die verborgene Harmonie ist immer stärker als die offenkundige.“
Ein Satz, der sofort einleuchtet – und doch vieles nicht sagt. Man denkt sofort an das Beseligende der Harmonie in der Musik, an die beglückende Auflösung von Tonverwicklungen oder an die plötzliche Erfüllung eines Gedankenerlebnisses.
Erst recht aber leuchtet der Satz ein, wenn man an die „Harmonie der Säfte“ denkt, wie die antike Medizin das nannte.
Eben die Harmonie der Gesundheit beweist ihre eigentliche Stärke darin, dass sie einen nicht benommen macht wie etwa der bohrende Schmerz oder der lähmende Wahn des Rausches,
die in Wahrheit Störung anzeigen oder bewirken.
Das Geheimnis der Gesundheit
Das Wunder der Rekonvaleszenz und das Geheimnis der Gesundheit liegt in der Geborgenheit bzw. dem Einssein. Wir sind selber Natur, und es ist die Natur in uns, die mit dem abwehrbereiten, in sich gefügten organischen System unseres Leibes zugleich unser „inneres Gleichgewicht“ zu halten weiß. Es ist ein einziges Ineinander der Lebendigkeit.
Gegen die Natur kann man nicht sein, wenn man mit der Natur ist und wenn die Natur mit uns ist. So sollten wir nie vergessen, dass der Kranke wie der Arzt sich miteinander darin vereinigen, der Natur die Ehre zu geben, wenn uns Heilung zuteil wird.
(7) Was ist nun wahre Heilkunst?
Wahre Heilkunst ist präventive Medizin.
Das eigentliche Geheimnis liegt in der Verborgenheit der Gesundheit. Sie bietet sich nicht von selbst an. Es liegt im Wesen der Gesundheit, dass sie sich in ihren eigenen Maßen selbst erhält. Wenn man Gesundheit in Wahrheit nicht messen kann, so eben deswegen, weil sie ein Zustand der inneren Angemessenheit und der Übereinstimmung mit sich selbst ist, die man nicht durch eine andere Kontrolle überbieten kann.
„ Prävention“ bedeutet, darauf zu achten, diesen Zustand zu erhalten.
Natürlich kann man Standardwerte für die Gesundheit festlegen. Wenn man aber etwa einem gesunden Menschen diese Standardwerte aufzwingen wollte, würde man ihn eher krank machen.
Es bleibt die Grundtatsache, dass nicht die Gesundheit, sondern die Krankheit das sich selbst Objektivierende, d. h. „sich Entgegenwerfende“, kurz, das Aufdringliche ist, also dass sie ihrem Wesen nach ein „Fall“ ist. So sagt man ja auch wirklich, dass etwas ein „Krankheitsfall“ ist.
Das griechische Wort „Symptom“ heißt eigentlich Zufall und wird auch im Griechischen schon für die Auffälligkeiten einer Krankheit gebraucht. Es bezeichnet das, was bei einer Krankheit in der Regel mit auffällt.
Zur Heilkunst gehört aber nicht nur die erfolgreiche Krankheitsbekämpfung, sondern auch die Rekonvaleszenz und am Ende die Gesundheitspflege.
Man hat den Eindruck, dass im Können der großen Ärzte oft Faktoren ihrer geheimsten Lebenserfahrung im Spiel sind. Es ist nicht allein der wissenschaftliche Fortschritt der klinischen Medizin oder das Eindringen chemischer Methoden in die Biologie, was den großen Arzt ausmacht.
Methoden einer wahren Heilkunst
Kommunizieren = Das Gespräch
Zu einer Behandlung gehört das Gespräch: Es ist die entscheidende Dimension allen ärztlichen Tuns.
Behandeln = „palpare“ – berühren, Hand auflegen
Man erwartet von dem Arzt, dass er seinen Patienten „behandelt“. „Behandeln“ heißt lat. „palpare“, d. h. mit der Hand (der palpa) am Leibe des Kranken vorsichtig und feinfühlig tasten, damit man Spannungen und Verspannungen bemerkt, die vielleicht die subjektive Lokalisierung des Patienten bestätigen oder korrigieren, die man Schmerz nennt. Man kann sogar den Schmerz z. B. einfach durch die Hand „ableiten“.
Therapieren = „dienen“
Jede Behandlung dient der Natur. „Therapie“ (griech.) heißt „Dienst“. Es ist der Dienst an der Natur bzw. Individualität des Patienten. Auch das bedarf einer Art des Könnens, die sich nicht nur gegen die Krankheit bewährt, sondern die gerade auch dem Kranken selbst gilt. So liegt in aller Behandlung Vorsicht und Rücksicht. Der Arzt muss zu seinem Können Vertrauen einflößen, aber er darf nicht die Autorität spielen, wenn er Autorität haben will.
Prinzipien einer wahren Heilkunst
- Zusammenarbeit von Arzt und Patient, Mitarbeit des Patienten (complience)
- Anderssein anerkennen, Individualität respektieren – Achtung der Würde
Freigabe des Patienten in die Eigenverantwortung
Man sagt: „Der und der ist in meiner Behandlung“. Dann meint das eine gewisse Verantwortung, aber auch eine gewisse freigebende Fürsorge. Kein Arzt dürfte je so vermessen sein, den Patienten beherrschen zu wollen. Er soll ihm raten und ihm helfen, wenn er kann, und weiß doch, dass der Patient nur so lange in seiner Behandlung ist, bis er wieder hergestellt ist.
„ Der Arzt kann dem Patienten den Weg zeigen, ihn evtl. auch ein Stück des Weges begleiten, zu Ende gehen muss der Patient den Weg aber selbst.“
(8) Ganzheitsmedizin als Medizin der Zukunft
Grundlage einer zukunftsorientierten Medizin ist die Integration unterschiedlicher Denkmethoden, Vorstellungen und Handlungsweisen, so dass es nicht mehr heißt:
„ Ganzheitsmedizin versus Schulmedizin“, sondern Schulmedizin ist Bestandteil einer integrativen Ganzheitsmedizin, die folgende Aspekte berücksichtigt:
Der Glaube an die Existenz von Kräften, die wir mit unseren Messmethoden (noch) nicht erfassen können
- Die Überzeugung, dass Phänomene bzw. Symptome in einer semiotischen Korrespondenz miteinander stehen
- Eine das Kausalgesetz übergreifende Logik eines vernetzten Ablaufs von Prozessen in der belebten Natur
- Die Integration von unterschiedlichen Ebenen und Sichtweisen unter Beachtung der Einheit von Körper, Seele und Geist eines Menschen
- Die Aktivierung der körpereigenen Selbstheilungs- und Widerstandskräfte
- Ganzheitliches Wirken, in dem schulmedizinische Diagnosen und Therapien sich mit naturheilkundlicher Betrachtungs- und Vorgehensweise ergänzen
- Die Methode einer hermeneutischen („verstehenden“) Interpretation verbaler und non-verbaler Zeichen bzw. Symptome zum intersubjektiven Verstehen menschlicher Lebensäußerungen
- Voraussetzung einer echten Ganzheitsmedizin ist die professionelle Verbindung einer fundierten schulmedizinischen Ausbildung mit der Kompetenz, verschiedene Naturheilverfahren sinnvoll zu integrieren.
Der professionelle Arzt oder Heilpraktiker schenkt seinen Patienten für Diagnose, Beratung und Heilung diejenige persönliche Zuwendung, Aufmerksamkeit, Zeit und Achtung ihrer Würde und Autonomie, die für einen ganzheitlichen Heilungsprozess notwendig ist.
Somit erstrecken sich seine Tätigkeitsbereiche von psychologisch-intuitiver Gesprächsführung über therapeutisch gestützte Selbstmedikation bis hin zu komplex verbundenen, ganzheitlichen Therapieverfahren sowohl im körperlichen als auch im funktionellen, bioenergetischen und seelisch-geistigen Bereich.
Autor:
Gert Dorschner
Facharzt für Allgemeinmedizin, Notfallmedizin, Naturheilverfahren, Akupunktur,
Ernährungsmedizin, Klassische Homöopathie
Ärztl. Leiter der AfG – Akademie für Ganzheitsmedizin Heidelberg
Friedensstraße 9/1
69121 Heidelberg
T.: 06221-40 45 07
F.: 06221-40 45 08
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© 2004 Gert Dorschner
Laura Urban says
Meine Schwester würde gerne in eine Gesundheitspraxis gehen, um sich ganzheitlich untersuchen zu lassen. Sie hat seit längerem körperliche Beschwerden, für die aber keine körperlichen Ursachen gefunden werden konnten. Interessant, dass in der Ganzheitsmedizin das Wohl und die Gesundheit des Menschen im Vordergrund stehen und diese ausschließlich von Ärzten und Heilpraktikern angewendet werden darf. Ich werde meiner Schwester raten, dies einmal auszuprobieren, da hierbei Körper, Seele und Geist gemeinsam betrachtet werden.