Seit dem Beginn der Coronapandemie habe ich bereits über 17.000 Menschen in digitalem Präsentieren und Auftreten vor der Kamera geschult. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich eigentlich, dass mittlerweile für jeden klar ist, wie man sich „ordentlich“ vor der Webcam präsentiert und was die Do’s and Dont’s vor dieser sind. Schnell habe ich jedoch bemerkt, dass es hier bei vielen Nachholbedarf gibt.
Auf Augenhöhe, der Austausch auf einer Ebene
Ebenso verwundert mich immer wieder, dass der Begriff „Augenhöhe“ für jeden etwas anderes bedeutet. Doch genau das ist der wichtigste erste Eindruck in einem Gespräch, sowohl analog als auch digital. Unsere Gesprächspartner verdienen diesen Austausch auf einer Ebene, nicht überheblich von oben herab und ebenso wenig von unten nach oben aufschauend, wie ein Kind, das bei seinen Eltern bettelt.
Wir wissen vielleicht, wie wir uns in einem face-to-face Gespräch verhalten müssen, wie wir unsere Körpersprache so einsetzen, dass sich unsere Gesprächspartner wohlfühlen. Vor der Kamera in seinem gewohnten privaten Umfeld verbirgt sich aber hier oft eine Herausforderung, da wir uns nicht in unserer Umgebung für Businesstalks, dem Büro, befinden. Was hilft uns also dabei, uns vor Faux-pas zu schützen und was zählt zu diesen? Wie richte ich mich technisch am besten ein, um sowohl überzeugend als auch auf Augenhöhe digital präsentieren zu können?
Das Setting, so richten Sie Ihren Platz vor der Webcam ein
Grundregel: Die Beleuchtung
Achten Sie darauf, dass Sie und Ihre Kamera nicht von hinten durch ein Fenster oder eine Lampe beleuchtet werden. Dadurch werden Sie in den Schatten gestellt, obwohl Sie doch im Rampenlicht stehen wollen. Besser ist es also, wenn sich Ihre Lichtquelle hinter dem Bildschirm befindet, aber so, dass Sie gut ausgeleuchtet sind, jedoch nicht geblendet werden. Wenn Sie künstliche Leuchtmittel verwenden, achten Sie darauf, dass diese tageslichtähnlich sind, so dass Sie nicht blass wirken, die meisten LED-Panel haben solch eine Funktion. Sollte es Ihnen dennoch zu hell sein und Sie haben nicht die Möglichkeit Ihr Panel zu dimmen, nutzten Sie eine Softbox. Tragen Sie eine Brille, können Sie Ihr Leuchtmittel ein wenig erhöhen, damit keine Spiegelung in den Gläsern entsteht. Dies stört den Blickkontakt zu den Gesprächspartnern.
Grundregel: Der Hintergrund
Wahrnehmung ist subjektiv! Wenn Sie denken, es lässt Sie erfolgreich wirken all Ihre Besitztümer im Hintergrund zu präsentieren, liegen Sie hier oft falsch. Besser ist es, seinen Hintergrund klar und neutral zu halten, hierdurch wirken Sie gut strukturiert. Haben Sie viel Platz nach hinten, wirken Sie erfolgreich. Sitzen Sie mit wenig Platz zur Wand gedrückt, vermitteln Sie ein beengtes Gefühl. Wichtig ist zudem, dass keine Pflanzen, Lampen oder schmale Bilder direkt hinter Ihnen sind, schaffen Sie mit diesen lieber einen visuellen Rahmen um Sie herum. Unter der Einhaltung dieser Regeln ist eine persönliche Note natürlich nicht verkehrt. Durch meine Erfahrungen in zahlreichen Setups kann ich schnell erkennen, welcher Hintergrund am besten zu Ihnen passt und kann Ihnen helfen, Ihre Persönlichkeit dabei zu optimieren und gezielt zu positionieren.
Grundregel: Der Bildausschnitt
Wählen Sie ihn so, wie man Sie auch in einem Meeting am Tisch sehen würde und mit welchem unser Gehirn vertraut ist. Der untere Bildschirmrand sollte an Ihrer Brust enden. Nach oben lassen Sie einen Abstand von einer Handbreite. So ist der Fokus optimal auf Sie gerichtet, denn Sie spielen die Hauptrolle auf Ihrem Bildschirm, nicht Ihr Hintergrund! Achten Sie auch darauf, dass Ihre Zimmerdecke, wenn möglich, nicht zu sehen ist, dies lässt Sie klein wirken.
Grundregel: Die Höhe der Kamera
Um wie Eingangs erwähnt nicht auf Ihr Gegenüber herab oder hinaufzublicken, stellen Sie sicher, dass Ihre Kamera auf einer Linie mit Ihren Augen ist. Bitte vergessen Sie den Tipp, Ihren Laptop auf Büchern zu stapeln, um diesen zu erhöhen, so kann es schnell unbequem für Sie werden, wenn Sie etwas auf der Tastatur eintippen müssen. Nehmen Sie sich hierzu lieber einen geeigneten Laptopständer zur Hilfe. Wir neigen dazu in uns zusammenzusinken, gerade während einer langen Videokonferenz oder einem Webinar. Achten Sie darauf, Ihre Körperhaltung zu bewahren. Ein Tipp: Nehmen Sie sich eine Fußstütze zur Hilfe. Dies dient nicht nur zur Entlastung Ihres Rückens, sondern sorgt auch dafür, dass Sie gerade sitzen bleiben.
Grundregel: Zeit ist Goldwert!
Die richtigen Einstellungen für Sie zu finden, nehmen einige Zeit in Anspruch. Daher ist mein Tipp an Sie: richten Sie Ihren optimalen Arbeitsplatz ein Mal ein und halten Sie diesen. So können Sie es sich bei der nächsten Konferenz sparen, das Licht und die Kamera erneut einzustellen und Ihren Hintergrund aufzuräumen. Nutzen Sie die freie Zeit vor dem Meeting lieber dazu, noch einmal tief durchzuatmen oder sich auf Ihre wichtigsten Gesprächspunkte zu konzentrieren.
Wie Sie eine Beziehung zu Ihrem Gesprächspartner in der Videokonferenz aufbauen
Grundregel: Der Blickkontakt
Achten Sie darauf, dass Sie ungefähr zu 80% der Zeit in die Kameralinse schauen. Sie dürfen nicht vergessen, dass Sie sich in einem digitalen Meeting befinden. Die Augen Ihres Gesprächspartners befinden sich nun nicht auf seinem Kamerabild, sondern in Ihrer Linse. Das kann eine Herausforderung sein, weshalb es hilfreich ist, sein Bild direkt unter Ihrer Kamera zu platzieren. Mit der Zeit lernen Sie dann, Ihren Gesprächspartner aus dem Augenwinkel zu beobachten, während Sie mit „der Kameralinse“ sprechen. Der Blickkontakt ist jedoch sehr wichtig für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung, denn dadurch wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet, welches Sie hierbei unterstützt und dem Gesprächspartner eine gewissen Nähe und Vertrautheit vermittelt.
Grundregel: Der Ton macht die Musik
Sie können Ihre Kamera und Ihr Bild noch so gut eingerichtet haben, es bringt Ihnen jedoch nichts, wenn man Sie nicht hören oder verstehen kann. Ebenso vertrauensfördernd ist es, wenn man Sie klar und deutlich verstehen kann. Bitte verwenden Sie keine Headsets, das Gehirn Ihres Gesprächspartners assoziiert damit: „Guten Tag, Willkommen bei McDonald’s, Ihre Bestellung bitte!“ Besser ist ein Ansteckmikrofon zu nutzen. Dieses hat eine weitaus bessere Tonqualität als das integrierte Mikrofon Ihres Laptops aber zu dem den Vorteil, dass es sich immer in gleichem Abstand zu Ihrem Mund befindet.
Grundregel: Die Körperhaltung
Ihre Körperhaltung wirkt sich nicht nur auf die Gesprächspartner, sondern auch auf Ihr eigenes Unterbewusstsein aus. Stellen Sie sich einen Faden vor, der aus der Verlängerung der Wirbelsäule durch den Scheitelpunkt Ihres Kopfes nach oben zieht. Nutzen Sie zudem ein Sitzkissen, sodass Sie daran erinnert werden, gerade zu sitzen und nicht dazu neigen, sich in die Stuhllehne fallen zu lassen. Lehnen Sie sich nicht zu weit nach hinten an Ihre Rückenlehne, das wirkt desorientiert. Lassen Sie eine faustbreite Platz zwischen Ihren Armen und Ihrem Oberkörper. Sind diese zu nah aneinander, wirken Sie klein und unsicher. Halten Sie Ihren Kopf gerade, so vermitteln Sie Ihrem Gesprächspartner, dass Sie aufmerksam zuhören. Zu tief geneigt wirkt unaufmerksam, zu hoch lässt sie schnell arrogant und überheblich wirken.
Grundregel: Bleiben Sie freundlich bis zum Schluss
Schenken Sie Ihrem Gesprächspartner zum Abschied ein Lächeln, und zwar solange er Sie noch sehen kann. Sie befinden sich beide noch in einem virtuellen Raum, bis einer von Ihnen das Meeting mit einem „Klick“ beendet. Halten Sie die Mundwinkel, bis Sie den Aus-Knopf gefunden haben, nach oben. Machen Sie auf der Suche nach diesem ein ernstes oder gar gelangweiltes Gesicht, vermittelt dies Ihrem Gesprächspartner das Gefühl von „endlich ist dieses Meeting vorbei“. Stattdessen geben Sie ihm mit Ihrem Lächeln ein Gefühl von „Ich fand es sehr interessant, ich konnte einiges für meinen Tag mitnehmen“.
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